Boomer brauen Bier: Ich glaub, es hackt!
Ob das Interesse fürs Bierbrauen mit dem Älterwerden zusammenhängt, ist noch sehr die Frage. Aber dass es was mit einem macht, ist offensichtlich.
K urz hatte ich mich wirklich gefreut, als ein Freund bei einem unserer viel zu seltenen Treffen neulich von sich aus auf mein neues Hobby zu sprechen kam. Aber während ich mir noch behutsam zurechtlegte, wie ich die faszinierendsten Aspekte des Bierbrauens am besten erzähle, kam er dann doch schneller zum Punkt: „Das ist schon ein Ausdruck von Midlifecrisis, oder?“
Ich habe das erst mal überhört und mich bemüht, das Abtun meines Tuns nicht als Kränkung zu nehmen, sondern als echte Sorge um mein Befinden. Wofür hat man schließlich all die Semester Sprechakttheorie studiert, wenn nicht, um zu erkennen, dass die Frage nach einer Krise eben auch das sein kann: die Frage nach einer Krise. Auch wenn sie sich wirklich nicht danach anhört.
Und tatsächlich spricht ja auch viel für die Sache mit der Midlifecrisis – wenn auch nicht unbedingt das Brauen, sondern vielmehr eben solche Gespräche, die nicht mehr funktionieren. Alle fahren so ihren Film und machen ihr Zeug und wir sind auch irgendwie raus aus dem Alter, in dem man sich da noch groß reinquatschen lassen will. Arbeit läuft? Ja? Gut. Und Gesundheit? Nicht so? Wird schon wieder.
Der Herbst ist hässlich
Wo wir schon dabei sind: In den letzten zwei Monaten haben drei Freunde Väter und Mütter beerdigt. Und es gibt noch ein paar mehr, um die wir uns Sorgen machen. Meistens aus der Ferne, weil alle irgendwo verstreut sind und eben, wie gesagt, so ihr Zeug machen. Natürlich ist das eine Krise, die was mit einem macht. Und natürlich hat die irgendwie auch mit der Lebensmitte zu tun, wenn man so optimistisch rechnen mag. Und mit dem Herbst, dem meteorologischen, der diesmal ganz besonders hässlich ausfällt.
Mir ist nicht nach Schreiben zumute. Ich habe sogar schon ChatGPT gefragt: „3.500 Zeichen über die Sinnlosigkeit des Schreibens im KI-Zeitalter, im Stil der Kolumne Speckgürtelpunks von Jan-Paul Koopmann in der taz.“ Das Ergebnis klingt erst mal ganz süß. Zum Einstieg hat sich die Maschine eine Szene an einer Supermarktkasse ausgedacht, im „Edeka in Langenhorn“. Ich weiß zwar gar nicht genau, wo das liegt, aber die Geschichte würde hier schon reinpassen. Nur wird es danach dann richtig schlimm meta über Maschinentexte: „Was bleibt dann von mir?“, fragt die KI in meinem Namen: „Nur noch ein Name unter dem Text, eine leere Hülle? Oder eher: eine flache Kopie eines Originals, das längst verloren ist?“
Wer ist hier verloren, du Arschloch? Und was bitte soll das heißen: „In jedem Tippfehler steckt ein Stück Leben.“ Wir hatten es ja eingangs schon mit der Sprechakttheorie und diesmal bin ich mir sogar richtig sicher, dass mein Gegenüber es nicht gut mit mir meint. Es gehe mir, schreibt die KI weiter, „um das Verrückte, das Echte, das Unperfekte“ und „deshalb werde ich schreiben. Auch wenn die Maschine es könnte. Auch wenn sie es besser könnte.“ Ich glaub’, es hackt.
Der liebe Kollege aus dem Redigat fand das lustig und meinte, die Maschine habe wirklich ein großes Herz. Ich bin mir da nicht so sicher.
Sachen da druaßen
Meine KI-Versuche sind jedenfalls fürs Erste beendet. Und ich glaube, es ist auch grundsätzlich langsam mal an der Zeit, einen Strich unter diese Um-sich-selbst-Kreiserei zu machen. Es gibt ja noch andere schöne Sachen da draußen – und schreckliche – um die man sich stattdessen kümmern könnte. Wir werden sehen. Das Jahr ist jedenfalls bald vorbei und das nächste wird besser. Versprochen.
PS: „Wenn du magst, kann ich auch eine Version machen, die sich mehr auf popkulturelle Verweise oder auf das Leben in einer konkreten Vorstadt bezieht – beides typisch für Koopmann.“
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