Boomer-Shaming in Medien: Wut, Neid, Angst, Autoren!
Medienweites Boomer-Shaming! Wegen eines Ex-Showmasters und eines Autors. Der Tipp unserer Autorin gegen das Verbitterungssyndrom: Lohnarbeit.
M ann, Mann, Mann, da war ja wieder was los in den letzten zwei Wochen. Zuerst hat uns ein älterer Ex-Showmaster mit Negativaura aus Marketinggründen in vielen Interviews an seinen Issues teilhaben lassen: Aufzugsangst, Sprechverbot-Phobie, hormonell bedingtes Verbitterungssyndrom.
Besonders ärgerlich, dass der geplagte 74-Jährige, dann für eine ganze Generation steht und diese wieder mal diskreditiert. Medienweites hartes Boomer-Shaming war die Folge.
Es ist ja leider was dran: Nicht alle Boomer sind so lieblich-woke eingestellt wie die Kolumnistin. Sie haben irrationale Ängste, sind nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit – und wollte man da unterstützen und aufklären, man müsste bei Adam und Eva anfangen. Wer will das schon?
Der Showmaster wurde aber 1950 geboren: Da fängt das mit der Boomer-Generation doch grade erst an! Wahrscheinlich ist er noch der Vorgängergeneration den „Traditionalisten“ (1922–1949) verhaftet.
Doch nun weiter zum zweiten Wutautor, der im Oktober Schlagzeilen machte. Geboren 1977, also kein Boomer mehr, aber als – Old-school-Bad-Boy-Schriftsteller-Rebell (In der Literaturwissenschaft versteht man darunter Säufer-Drogen-Puff-Literaten, die sich in der Nachfolge von Fauser und Bukowski verstehen) – also als solcher auch nicht gerade eine Zierde seiner Generation X.
Dass er anders als viele Autoren früher mal lohnabhängig beschäftigt war, ist sehr lobenswert, kann aber nicht alles entschuldigen.
Der betreffende fleißige und sehr begabte Autor zuckte also aus, wie die Österreicherinnen so schön sagen, weil er den deutschen Buchpreis nicht bekam. So weit, so verständlich.
Seine Begründung – Gefahr durch kommende Verarmung wegen Nichterhalten des Buchpreises – führte dann in den sogenannten sozialen Medien zu der ewigen Diskussion „Vom Schreiben leben?“
Auf meiner Timeline – so nennen wir Ältere das, was uns bei dem Boomermedium Facebook angezeigt wird – klärten dann andere Autorinnen auf, dass man mit 22 Preisen, mit Tantiemen für Buchverkäufe, Lizenzen für Filmrechte und Verlagsvorschüssen als Erfolgsautor schon ganz gut leben könne – es sei denn man gebe zu viel für Kokain, Sexarbeit und Spielsucht aus und verprasse den Rest. Die nicht so bekannten Autorinnen und Autoren, die freien Journalistinnen, Kolumnisten und für nicht preiswürdig gehaltenen Schriftstellerinnen könnten dagegen von solchen Einkünften nur träumen.
Ihnen sei hier zum Trost gesagt: Neben dem Schreiben einem normalen Broterwerb nachzugehen, hat viele Vorteile.
Milieustudien lassen sich prima mit Lohnarbeit kombinieren. Neue Eindrücke, fremde Szenerien und klassenübergreifende Begegnungen führen zu interessanteren Erzählungen und einer ganz anderen Welthaltigkeit des Stoffes.
Man kommt mal aus dem Haus, hat Kollegen und das eigene Genie muss nicht immer wieder zwischen Selbstverachtung und Selbstbewusstsein am Schreibtisch versauern, sondern kann sich mit der Realität abgleichen. Vielleicht gewinnen dadurch sogar die Texte, die Literatur an sich.
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