Bombendrohung bei GNTM: Panik in der Redaktion
Eine Fernsehsendung wird wegen einer Bombendrohung abgebrochen. Das sorgt für Irritationen im täglichen Nachrichtengeschäft.
BERLIN taz | Eine Bombe sorgt für große Unruhe. Panik in der taz-Redaktion. „Müssen wir das auch melden“, fragt Online-Chef K. mit sorgenzerfurchter Stirn. „Man, das ist das Thema des Tages“, kontert ein Schwerpunktredakteur, der eigentlich ja nur Print produziert, aber das ist ihm jetzt mal zu langsam. „Hier“, ruft er, und hält den Bild-Titel hoch: „Heidi Klum verließ mit Tochter Leni schreiend die Arena“. Das, so der Printredakteur, das sei doch die Meldung, auf die wir seit Jahren gewartet hätten.
„Das Finale von 'Germany's Next Topmodel' begann mit Feuerwerk und Konfetti-Regen – und endet abrupt“, weiß die dpa. „Große Aufregung um das Finale der Fernsehshow 'Germany's Next Topmodel', meldet afp. Was daran neu ist? „Wegen einer Bombendrohung ist die Finalshow am Donnerstagabend abgebrochen worden.“ Und: „Im Kurznachrichtendienst Twitter reagierten Fans des Model-Contests bestürzt.“
Schon am Donnerstagmorgen hatte der Konkurrenzsender ZDF eine Pressemitteilung mit „Die Miss Germany der Kühe“ betitelt. Was das jetzt mit Pro-7-Star Heidi Klum zu tun hat? Nichts. Es sei denn, der Anruf kam aus Mainz.
In der Nähe einer Garderobe sei ein verdächtiger Koffer gefunden worden, teilt der evangelische Nachrichtendienst epd unter Berufung auf die Polizei am Freitagmorgen mit. Bei einer Untersuchung durch Experten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg habe sich dieser jedoch als ungefährlich herausgestellt. War wohl nur Puder drin, kein Pulver.
Aber was machen wir jetzt auf taz.de zum Thema des Tages?
„Thema des Tages? Welches Thema des Tages?“, fragt die reinschlappende Fotoredakteurin L. „Ach so, Heidi Klum. Hab ich im Radio gehört, fand ich super!“ Aber dann bringt L. die Sache auf den Punkt: „Jetzt weiß man gar nicht, wer gewonnen hätte“. Es ist ein Drama (Baby).
Das sehen auch die KollegInnen vom Mannheimer Morgen so, die ganz nah dran waren, weil die Modepuppenshow aus diesem Mannheim gesendet wurde: „GNTM-Fans: Wir wissen nicht was los ist“ betiteln sie ihren Online-Aufmacher. Direkt dahinter steht Mannheims Next Top Story: Zoo-Elefant Ludwig „rüsselt sich warm!“
Und bei Spiegel Online ist die Top-Story natürlich die Top-Story, steht ganz oben. „Polizei fahndet nach anonymer Anruferin“, wissen die Kollegen aus Hamburg zu berichten.
Aha, der anoynme Anruf kam von einer Frau? Geht es um Emanzipation? Muss die Frauenredakteurin ran? Ach, die ist natürlich heute nicht im Dienst.
Aber was berichten wir jetzt? Wochenendchef M. war Augenzeuge. „Meine Kinder haben das geguckt“, sagt er. Klar, das lassen wir mal so stehen. „Dann dachte ich, die haben umgeschaltet, weil plötzlich ein Spielfilm lief.“ Aber dann habe er das Laufband unten am Bildschirmrand gesehen. Irgendwas mit technische Störung. „Schreib das auf!“, ruft der Printredakteur. „80 schnelle Zeilen als Talk“, sagt der Onliner. „Das wird ein Klickmonster“, weiß sogar der Printler.
Aber M. will nichts schreiben. Er beruft sich auf Informantenschutz. „Da steht ja sonst mein Name drüber!“, verteidigt er sich. „Und außerdem: Man hat ja gar nichts gesehen!“ Vor allem nicht die schreiende Heidi Klum.
„So“, sagt der später hereinschlurfende Chefredakteur. Sonst nichts. Dann geht es zur großen Konferenz.
„Irgendwer muss sich um Germanys Next Top Model kümmern“, sagt dort der Inlandschef – und meint damit sicherlich weder sich noch die Kollegen aus seinem Ressort. „Ich finde das ja sehr bedauerlich“, murmelt Meinungsredakteur W., „ich hätte das ja gerne gesehen“. Aber W. ist ein Zyniker, bei dem weiß man nie. „Die Bombendrohung“, wirft ein Kulturredakteur ein, „das wäre doch was für eine Liebeserklärung“. Er meint damit eins dieser lockeren Formate auf der Argumenteseite der taz. am wochenende. W. nuschelt noch was von „GNTM als Gefahr für die Jugend“, dann vertagt sich die Konferenz ohne Ergebnis.
Machen wir eigentlich was über den Tod von B.B. King?, fragt jemand. Ja? Nein! Höchstens online. Der verstorbene Bluesmusiker war zu alt für unsere junge Wochenendleserschaft.
„So“, sagt nochmal der Chefredakteur. Sonst nichts. Außer, dass ihm der Name B.B. King mal was sagen würde.
Und wer muss jetzt was zu GNTM schreiben? Ich? Wieso ich denn?
Also nochmal die wichtigsten Nachrichten: Die abgebrochene Ausgabe von „Germany's Next Topmodel“ war das quotenschwächste Finale der ProSieben-Show aller Zeiten, meldet dpa. Als die Sendung um kurz nach 21.30 Uhr wegen einer Bombendrohung abgebrochen wurde, hatten schon 210.000 abgeschaltet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe