Börsencrash nach Trump-Zöllen: Ökonomen befürchten drittes Rezessionsjahr
Demnächst-Kanzler Merz plädiert für Steuersenkungen als Reaktion auf die Baisse an den Finanzmärkten. Experten rechnen mit anhaltender Rezession.
„Die Lage an den internationalen Aktien- und Anleihemärkten ist dramatisch und droht sich weiter zuzuspitzen“, sagte der voraussichtliche Kanzler der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Am Morgen war der Deutsche Aktienindex Dax mit einem Minus von 10 Prozent in den Handel gestartet.
„Es ist deshalb dringlicher denn je, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt“, fügte Merz hinzu. „Diese Frage muss jetzt im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen. Wir brauchen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, einen spürbaren Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme.“ CDU, CSU und SPD haben ihre Gespräche am Montag fortgesetzt und streben eine Einigung noch in dieser Woche an.
Ökonomen befürchten anhaltende Rezession
Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass die kommende Bundesregierung schnell einen entscheidenden Beitrag leisten kann. „In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern“, schrieben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von Deutsche Bank Research am Montag in einer Analyse. Daher könnte sich die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 als zu optimistisch herausstellen, falls sich die angekündigten „reziproken“ US-Zölle als dauerhaft erweisen sollten. „Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge“, so die beiden Experten. Europas größte Volkswirtschaft ist bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, 2024 dann um weitere 0,2 Prozent.
„Kurzfristig hat sich mit dem Handelskrieg die Wahrscheinlichkeit auf eine richtige technische Rezession in Deutschland erhöht“, sagte auch ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Nach dem leichten Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt von 0,2 Prozent im Schlussvierteljahr 2024 könnte es im ersten und zweiten Quartal 2025 nun ebenfalls sinken. Schon bei zwei Negativ-Quartalen wird von einer technischen Rezession gesprochen. „Damit ist das Gesamtjahr nicht mehr zu retten, auch wenn eine neue Bundesregierung noch etwas unternehmen sollte“, sagte Brzeski.
Handelsverband senkt Exporterwartungen
Der deutsche Außenhandelsverband BGA will wegen des massiven Handelskonflikts seine ohnehin geringen Exporterwartungen für das laufende Jahr senken. „Unsere Prognose von minus 2,7 Prozent war schon historisch düster, wir werden sie im Laufe der nächsten Wochen aber noch deutlich nach unten korrigieren“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura der Nachrichtenagentur Reuters. „Auch wenn Verhandlungen mit den USA noch im Raum stehen, werden die Folgen dieses Handelskriegs, den die USA begonnen haben, zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums, höherer Inflation und Arbeitsplatzverlusten in den USA und Europa führen.“
Präsident Trump hat vorige Woche hohe Zölle auf Einfuhren aus fast allen Ländern angekündigt. So soll für fast alle Waren aus der Europäischen Union ein Zoll von 20 Prozent fällig werden. Für Stahl, Aluminium und Autos sind es sogar 25 Prozent. China hat Vergeltungszölle von 34 Prozent auf US-Importe angekündigt. An den Börsen kam es weltweit zu einem Kursrutsch.
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