Blumengemetzel auf der Sonnenallee: Den Mittelstreifen am Leben lassen

In Neukölln werden herrlich bunte Spontanwiesen auf den Mittelstreifen abrasiert. In ganz Neukölln? Nein!

Schmetterling sitzt auf violetter Blüte vor gelbem Gras

Keine Blüten, keine Insekten, keine Vögel (Symbolbild) Foto: Imago Images

BERLIN taz | Mitten auf der Sonnenallee wogt eine Wiese im Wind. Also vielleicht keine Wiese, „spontaner Mittelstreifenbewuchs“ wäre wohl der angemessenere Begriff. Aber der ist richtig üppig: die Gräser goldgelb, dazwischengesprenkelt alle Farben, roter Klatschmohn, blaue Wegwarte, weiße Schafgarbe. Das nasse Frühjahr und die vergangenen trocken-sonnigen Wochen haben das ganz gut hinbekommen – auch wenn es langsam mal wieder regnen könnte.

Aber, halt, was ist das? Auf Höhe des Lidl-Parkplatzes an der Mareschstraße ist eine Mittelstreifenberäumungsbrigade unterwegs, die mit Motorsense und Mäher der ungebändigten Natur zu Leibe rückt. Ratzfatz wird die urbane Wiese auf Stoppel von wenigen Zentimetern Höhe heruntergemetzelt. Nix mehr Ähren und Blüten. Dafür sieht man jetzt wieder die Kippenschachteln und den anderen Müll, den die Leute so aus dem Autofenster schmeißen.

Was soll das? Es sieht nicht nur tot aus, es ist auch tot, bis auf Weiteres. Keine Blüten mehr für die Insekten, keine Samen für die Vögel. Und wer bei diesem Wetter mäht, lässt den oberen Boden wirklich komplett austrocknen – nicht mal Tau kann sich bilden und die Erde benetzen. Die liefert jetzt ihren Anteil an der Feinstaubbelastung, so lange jedenfalls, bis doch mal wieder Regen fällt und die Gräser neu austreiben.

Frage an das Neuköllner Bezirksamt: Warum macht ihr das? Prompte Antwort aus dem Büro von Umwelt-Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne): Wir finden’s auch blöd und testen Alternativen, die Pressemitteilung liegt eigentlich schon im Ausgangsfach. Tatsächlich mäht Neukölln dieses Jahr ausgewählte Mittelstreifen nur einmal statt dreimal, um einen Beitrag zur Biodiversität zu leisten. Die Sonnenallee ist leider nicht dabei, stattdessen Blaschkoallee, Busch­krug­allee und Marienfelder Chaussee.

Erst mal die Reaktionen abwarten

„Wiesen können auch zwischen zwei Fahrbahnen liegen!“, verkündet Biedermann froh. Fragt sich nur, warum das Experiment nicht gleich im ganzen Bezirk läuft. Auch hier liefert das Stadtratsbüro gleich nach (vorbildlich!): Es gebe laufende Verträge mit der eingesetzten Firma, für eine groß angelegte Umstellung müsste man die Neuausschreibung abwarten. Und ja, man sammle erst Erfahrungen. Polizei und Feuerwehr beschwerten sich bisweilen, wenn die Vegetation „Sichtbeziehungen einschränke“, aber auch die Bevölkerung sei nicht immer begeistert vom Wildwuchs.

Deshalb mähe man auch an den Pilotstraßen einen kleinen Randstreifen ab, um zu signalisieren, dass der Bezirk hier etwas tue. Da ist was dran: Wuchert es in einer Grünanlage, assoziieren viele „Verwahrlosung“. Ein kleines Schild, das von Blühwiesen und Bienen erzählt, verwandelt das Ganze umgehend in ein cooles Nachhaltigkeitslabor.

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