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Blödsinn des VARFouls, Lügen und Video

An jedem Wochenende beweist der Videoassistent, dass er auf einer Illusion beruht: der Vorstellung, Fußball sei objektivierbar.

Im Stadion sieht doch am besten: Schiedsrichter bei der Videoüberprüfung Foto: dpa/Matthey

W er’s sieht, weiß Bescheid: Ein Verteidiger stößt einen Stürmer im Strafraum um. Der Stürmer bekommt gerade den Ball, er ist, was Stürmer ja gerne machen, bereit zum Schießen, doch er wird von hinten umgeschubst.

Soweit alles klar, aber wer sieht’s, wer hat’s gesehen? Psychologie hilft da weiter, Medienanalyse auch. Die Psychologie lehrt, dass bei großer Sympathie für den Verteidiger der Stoß vielleicht nicht als Schubsen, sondern als leichte Berührung interpretiert wird. Fans machen so was. Von der Medienanalyse wissen wir, dass ein Schubs je nach Standort des Betrachters bzw. der Kamera mal so und mal so zu deuten ist: zwischen „Foul, Elfer!“ und „Nix, da war gar nix!“ ist jeder Ausruf möglich.

Von der Sportsoziologie wissen wir, dass solche Debatten über solche Szenen schlicht zum Sport gehören. Die Wembley-Tor-Debatte 1966 hat den weiteren Aufstieg des Fußballs zum Weltsport Nummer eins nicht behindert, sondern massiv nach vorne, ja, doch: geschubst.

Aber zum Glück haben wir ja, wenn wir die großen Phänomene der Moderne verstehen wollen, nicht nur die Wissenschaft, sondern auch den DFB und andere Verbandsfunktionäre. Die wissen, dass es nur eine Wahrheit gibt, und das ist die, die auf ihren Videos aufgezeichnet ist.

Fußball und wissenschaftlicher Fortschritt

Sascha Stegemann, der am Samstag als Schiedsrichter die Partie zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund gepfiffen hat und dabei einen bestimmten Elfmeter nicht pfiff, sagte später zu der Szene: „Auf dem Spielfeld stellte sich die Situation für mich wie folgt dar, dass es zu einem normalen Körperkontakt kam.“

Ja. So ist Fußball. Der Schiri stand da, sah etwas und hat dann entschieden. Falsch oder richtig, darüber darf man streiten. Die Vorstellung, ein objektiv wahres Urteil sei möglich, ist eine Illusion. Und zwar eine, von der die sich für solche Fragen interessierende Welt seit etwa hundert Jahren weiß, seit der frühen sowjetischen Filmtheorie. Das gehört zum Wissensbestand der Menschheit wie die Entstehung der Arten durch Evolution, wie die Existenz von Ich, Es und Über-Ich, wie die Erkenntnis, dass menschliche Arbeit Mehrwert produziert oder dass sich keinesfalls die Sonne um die Erde dreht.

Das könnte man wissen, das sollte man wissen. Es sei denn, man ist Fußballfunktionär und fest davon überzeugt, dass der Sport eine eigene Welt ist, der mit nichts Irdischem beizukommen ist. Solche Leute glauben, auf dieser Erde sei nichts anderes rund als ihr Ball. Alles andere ist für sie so flach wie ihr Denken.

Machen wir es kurz: Schafft den VAR ab!

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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1 Kommentar

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  • VAR abschaffen? Nur bei einer öffentlichen Erklärung aller VAR Gegner, Fussballmanager und Fussballtrainer, in Zukunft bei jedem Fehler eines Schiedsrichters auf dem Platz nicht mehr zu kritisieren als "war wohl nicht richtig, aber Schiedsrichter entscheidet - Schwamm drüber"

    Kein "wie konnte er das nicht sehen", kein "Schiebung", kein "der ist doch völlig ungeeignet, wenn er das nicht sieht" etc. pp.