Blockupy-Sprecher über EZB: „Sonst gibt’s Hausbesetzungen“
Mit Blockaden will das Blockupy-Bündnis den Betrieb der Europäischen Zentralbank lahmlegen. Aber: Soll der Klassenfeind ihnen die Bettchen machen?
taz: Herr Bruckmiller, Ihr Blockupy-Bündnis will am 18. März in Frankfurt mit Tausenden Menschen den Betrieb der Europäischen Zentralbank lahmlegen. Mit Verlaub: Für ordentliche Revolutionäre wirkt Ihre Truppe bislang so butterzart wie ein Gebäckkringel.
Aaron Bruckmiller: Wie kommen Sie denn darauf?
Sie wollen gestandene Kapitalismuskritiker sein und beschweren sich, dass das Frankfurter Ordnungsamt Ihrem antikapitalistischen Block keine Schlafplätze zur Verfügung stellt. Geht es nicht noch reformistischer?
Wir wollen nur, dass die Menschen, die aus vielen Ländern Europas zu den Blockupy-Protesten anreisen werden, nicht in irgendwelchen Löchern schlafen müssen, sondern ordentlich untergebracht sind. Etwa in städtischen Turnhallen. Beim Evangelischen oder Katholischen Kirchentag, bei allen Turn- und Sängerfesten kriegt die Stadt Frankfurt das hin. Aber wir sollen draußen schlafen?
Es ist vielleicht etwas viel verlangt, dass Ihr Klassenfeind Ihnen noch die Betten macht.
Unter uns sind ja selbst viele Frankfurter. Wir kämpfen gegen eine Kürzungspolitik auf europäischer Ebene, die viele Menschen in das Elend treibt und die Sozialsysteme torpediert. Wenn die Stadt Frankfurt nicht wenigstens ein bisschen kooperationsbereit ist, riskiert sie, dass die Leute sich selbst unterbringen müssen, möglicherweise durch Hausbesetzungen.
Wer kommt denn am 18. März überhaupt nach Frankfurt?
Wir gehen davon aus, dass an diesem Tag einige Tausend Menschen den Betrieb der Europäischen Zentralbank blockieren werden und dass am Abend mindestens 10.000 Menschen gegen die europäische Sparpolitik demonstrieren werden. Dazu rechnen wir mit mindestens 1.000 AktivistInnen aus anderen europäischen Ländern. Zahlreiche internationale Busse sind schon ausgebucht. Außerdem haben wir innerhalb Deutschlands einen Sonderzug gebucht, der aus Berlin über Göttingen und Hannover nach Frankfurt anreisen wird.
23, studiert Philosophie an der FU Berlin, ist aktiv in der Interventionistischen Linken (IL) und einer der Sprecher des Blockupy-Bündnisses, das für den 18. März zu Protesten nach Frankfurt ruft.
Und dann?
Wir wollen ein europaweit wahrnehmbares Zeichen gegen die organisierte Traurigkeit und die verelendende Krisenpolitik setzen und zeigen, was in den letzten drei Jahren mit dem Blockupy-Bündnis entstanden ist.
Was ist denn da aus Ihrer Sicht entstanden?
Unser Anliegen ist es, eine demokratische Gesellschaft von unten gegen alle Grenzen aufzubauen. Wir arbeiten dazu seit drei Jahren in einem internationalen Bündnisprozess mit vielen europäischen Gruppen intensiv zusammen.
Auffällig ist: Darunter sind vor allem viele Syriza-Sympathisanten.
Die Abwahl der Verelendungspolitik und die Bewegungen in Griechenland haben auch uns den Mut und die Hoffnung gegeben, dass ein erfolgreicher Widerstand möglich ist. Und wir merken, dass die Bewegungen im Süden Europas und die Debatte um die künftige Ausrichtung in Europa Blockupy neuen Zulauf beschert.
Wer bezahlt den AktivistInnen aus Griechenland denn die Tickets nach Frankfurt: die neue griechische Regierung?
Das Thema ist gar nicht so spaßig. Selbstverständlich ist es eine ernste Frage, wie griechische Leute, die im Moment oft ganz massive und ernst zu nehmende finanzielle Probleme haben, sich auch hier bei uns im Mutterland des Sparkurses und der vermeintlichen Alternativlosigkeit zu Wort melden können. Wir verkaufen deswegen Solidaritätstickets, mit denen wir versuchen, die Anreise von AktivistInnen zu finanzieren, die etwa aus Griechenland teilnehmen wollen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung