piwik no script img

Blockade auf Baustelle für LNG-LeitungEnde auf dem Erdgas-Gelände

Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen von „Ende Gelände“ haben eine Baustelle für eine Gasleitung bei Brunsbüttel besetzt. Sie wollen fossile Energien stoppen.

Rauchen auf der Baustelle ist okay, solange keiner kifft Foto: Jannis Große

Brunsbüttel taz | Die Sonne knallt auf die weißen Overalls und pinken Schlauchschals der Ak­ti­vis­t*in­nen von „Ende Gelände“. Sie rufen: „Auf geht’s, ab geht’s, Ende Gelände!“, während sie über einen Feldweg stiefeln, vorbei an Kühen und Windrädern, die sich nicht bewegen. Ihr Ziel an diesem Dienstagmorgen: Die Baustelle einer Pipeline für Flüssiggas, kurz LNG, östlich von Brunsbüttel. Die Gruppe will die Errichtung verhindern.

Die Leitung soll ab dem Winter fossiles Gas von einem LNG-Terminal in Brunsbüttel, das ebenfalls noch gebaut wird, 55 Kilometer nach Hetlingen bei Uetersen befördern und dort in das bundesweite Gasnetz einspeisen. Vom Terminal aus soll Flüssiggas, das per Schiff geliefert wird, in die Pipelines verteilt werden. Hintergrund des Baus sind Pläne der Regierung, mit Flüssiggasimporten die Energiekrise abzufedern. Daran gibt es Kritik: Bereits im November 2022 blockierten Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen eine Baustelle für das neue Terminal in Brunsbüttel.

Die Gruppe hält ein Banner mit der Aufschrift „Smash Capitalism“ vor sich, während sie sich weiter in Richtung Gasleitung bewegt. Sie trifft auf mehrere Männer, die Helme und gelbe Westen tragen und die verhüllten Personen mustern. Normalerweise arbeiten die Männer auf dem Gelände. Heute nicht. Einige Ak­ti­vis­t*in­nen lösen sich aus den Reihen. Einer erklärt: „Die Aktion heute geht nicht gegen euch oder einzelne Personen, es geht um die versäumte Klimapolitik.“ Die Arbeiter nicken und winken ab, als wüssten sie das schon. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis so eine Aktion hier stattfindet“, meint einer später.

Die rund fünfzig Ak­ti­vis­t*in­nen sind um halb neun mit einem Reisebus angekommen – im Gepäck haben sie Banner, Pyros, Sonnencreme und Verpflegung. Nun sortieren sie ihre Ausrüstung, schnappen sich pinke Regenschirme und klettern auf fünf gelbe Bagger. „Passt auf euch auf,“ warnt einer der Baggerführer. Er steigt aus, die Ak­ti­vis­t*in­nen wickeln den Bagger in Absperrband. Weitere steigen auf zwei Kräne. Für sie ist das eine von vielen Aktionen, gekonnt hangeln sie sich über dem Metall entlang und nehmen Platz. Sie recken Fäuste in die Luft.

Forderung nach Abkehr vom „fossilen Kapitalismus“

Das Bündnis „Ende Gelände“ blockiert seit 2015 deutsche Braunkohlereviere – auch Baustellen von LNG-Terminals waren schon Ziel von Aktionen. „Ende Gelände“ fordert den sofortigen Kohleausstieg und eine Abkehr vom „fossilen Kapitalismus“. Anfang August fand das „System Change Camp“ in Hannover statt, auf dem sich die Kli­ma­ak­tivis­t*in­nen in Workshops und Diskussionen über weitere Aktionen austauschten.

Das Problem mit LNG

Flüssigerdgas oder LNG (für Englisch „Liquified Natural Gas“) ist durch Abkühlung auf −164 bis −161° Celsius verflüssigtes Erdgas. LNG weist etwa ein 600stel des Volumens von Erdgas in Gasform auf.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine setzt die Bundesregierung verstärkt auf den Import von LNG, um Lieferungen von russischem Pipelinegas zu ersetzen.

Deutschland importiert LNG vor allem aus den USA, wo es häufig mit der das Grundwasser gefährdenden Fracking-Methode gefördert wird, bei der Gestein chemisch aufgebrochen wird. Im Oktober 2022 schloss Deutschland mit Katar einen Vertrag über die Lieferung von 2,7 Millionen Kubikmeter LNG.

In drei schwimmenden Terminals in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel wird LNG derzeit angelandet. Drei weitere in Wilhelmshaven, Stade und Mukran auf Rügen sollen noch in diesem Jahr hinzukommen.

Langfristig sollen sie durch drei feste Terminals in Willhelmshaven, Stade und Brunsbüttel ersetzt werden. Umweltverbände kritisieren, dass dadurch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verstetigt wird.

Aktivist Ben ist mit der heutigen Blockade zufrieden: „Alles ist entspannt, es geht allen gut.“ Das laufe manchmal auch anders: „Wenn wir im Rheinland unterwegs waren, dann war häufig mal weniger Verständnis seitens der Bauar­bei­te­r*in­nen da.“ Für Ben ist die Pipeline-Baustelle ein „Tatort der Klimakatastrophe“.

Die Bagger sind mittlerweile besetzt. Die vielen Windräder im Hintergrund stehen immer noch still, die Luft scheint bei der Hitze zu stehen. Erst mit buntem Rauchfeuer, das die Ak­ti­vis­t*in­nen auf den Fahrzeugen zünden, kommt Bewegung rein. Ob die Polizei bald kommen wird, weiß keiner, aber alle rechnen damit. Ab und zu erschallen laute Rufe, die von Bagger zu Bagger weitergegeben werden: „Attacke, Attacke, Frackinggas ist kacke!“

Eine Aktivistin fragt, ob Rauchen auf dem Gelände okay ist. „Na sicher, wenn ihr nicht kifft“, scherzt einer der Arbeiter. Die Aktion störe ihn überhaupt nicht. „Hauptsache, alle passen auf, dass niemand vom Bagger fällt“, meint er. Gut fände er den Bau der Pipeline eh nicht: „Das sieht doch jeder, dass das hier nicht richtig ist.“

Deutschland importiert LNG vor allem aus den USA, aber auch aus Katar kommt das Gas. Rita Tesch, Sprecherin von „Ende Gelände“, kritisiert: „Frackinggas ist unglaublich umweltschädlich und vergiftet das Trinkwasser – diese Pipeline ist ein Klimaverbrechen.“ Das Bündnis fordert eine Vergesellschaftung der fossilen Konzerne. „Statt dass der Staat RWE, Shell und Co. zur Rechenschaft zieht, werden die Konzerne noch mit viel Geld subventioniert,“ sagt Tesch.

Polizei lässt die Aktion weiterlaufen

Plötzlich kommen sie dann doch: zwei Streifenwagen, ein dritter folgt später. Die Polizei spricht mit einem Aktivisten und mit Arbeitern. Sie einigen sich: Solange die Hydraulikschläuche nicht beschädigt werden und die Gasleitung, die neben den Baggern etwas tiefer in einem Graben liegt, unberührt bleiben, herrscht keine Gefahr – und die Aktion darf weiterlaufen.

Auch am Nachmittag hat sich an der ruhigen Lage noch nichts geändert. Eine Sprecherin der Polizei in Itzehoe bestätigt: „Solange es sich um einen friedlichen Protest handelt, begleiten wir die Lage und beobachten.“ Anzeige sei bislang keine gestellt worden, die müsste vom Betreiber kommen.

Die nächste Aktion von „Ende Gelände“ ist bereits geplant: Vom 22. bis 24. September will die Gruppe zum LNG-Terminal auf Rügen reisen. Es soll eine Massenaktion werden. Im Gegensatz zur kleineren Blockade in Brunsbüttel wird sie auf allen sozialen Kanälen des Bündnisses angekündigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, und bald werden unsere Ackerflächen verschwinden, da nur noch an Solarfirmen verpachtet wird.



    Besorgniserregender Bericht dazu in der Sendung "Frontal".

    Es gibt anscheinend keine Pläne für Machbares und Nützliches.

  • Danke an Ende Gelände!



    Prima!

  • Kein Gas aus Russland, kein LNG, keine Kernkraft, keine Kohle, Solar und Wind können Grundlast nicht decken. Hat eigentlich auch nur _eine einzige_ Person mal einen ordentlichen Plan vorgelegt, wie das Nachkommen der Forderungen funktionieren soll?

    Das wirkt alles ein bisschen wie Forderungen alá "Unendlich Geld für alle" und wenn man sagt "Absolut bescheuerte Idee, das ist nicht durchdacht", die Leute dann ankommen mit "Also bist du pro Armut. Verstehe".

  • Die LG hofft wohl auch auf einen warmen Winter, in dem das Gas nicht gebraucht wird.



    Sollte es anders kommen, müssen wir uns nach 2024 bis auf weiteres keine Gedanken über Umweltschutz in der Regierung mehr machen.