Blasphemie in Pakistan: Imam in Untersuchungshaft
Einem christlichen und geistig behinderten Mädchen droht in Pakistan Anklage wegen Gotteslästerung. Ein Geistlicher soll Beweise manipuliert haben.
BANGKOK taz | Die Polizei in Pakistan hat am späten Samstagabend einen Imam festgenommen, der ein christliches Mädchen der Blasphemie beschuldigt hat. Er soll Beweise gegen das Mädchen gefälscht haben, bevor er diese den Behörden übergeben hat.
Der Fall hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Polizei hatte das Mädchen vor rund zwei Wochen in einem Dorf in der Nähe von Islamabad festgenommen, weil es Seiten mit Koransuren verbrannt haben soll. Eine medizinische Untersuchung hatte vergangene Woche ergeben, dass das Mädchen etwa 14 Jahre alt und geistig beeinträchtig ist. In früheren Berichten hieß es, das Mädchen habe das Downsyndrom. Die Familie des Mädchens erklärte, es sei elf Jahre alt.
Hafiz Mohammad Zubair, ein Gebetsausrufer an der Moschee des festgenommenen Imams, hat Berichten des Nachrichtenwebseite Dawn.com zufolge ausgesagt, er habe gesehen, wie ein Mann aus der Nachbarschaft des Mädchens zwei Plastiktüten mit verbranntem Papier zu dem Imam gebracht habe. Dieser habe selbst zwei Seiten aus einem Koran ausgerissen und in die Plastiktüten gelegt. Zubair habe versucht, den Imam daran zu hindern. Dieser habe gesagt, die Koranseiten würden dazu führen, dass die Familie des Mädchens das Viertel verlassen müsse. Die Tüten habe der Kleriker der Polizei als Beweis übergeben.
Anschließend hatte der Imam die Anwohner des Viertels aufgerufen, gegen das Mädchen vorzugehen. Die Polizei nahm das Mädchen in Gewahrsam, nachdem sich ein aufgebrachter Mob vor deren Haus versammelt und gefordert hatte, das Mädchen lebendig zu verbrennen. Viele Christen waren daraufhin aus dem Dorf geflohen. Die Familie des Kindes befindet sich zu ihrem Schutz ebenfalls in Polizeigewahrsam.
Stimmungsmache gegen Christen
Ein Gericht in Islamabad verhängte am Sonntag Untersuchungshaft gegen den Kleriker. Auch ihm droht nun eine Anklage wegen Blasphemie. Weitere Berichte deuten darauf hin, dass der festgenommene Imam schon früher versucht hatte, gegen die Christen in seinem Dorf Stimmung zu machen. Mehrfach soll er sich darüber beschwert haben, dass diese die übrigen Anwohner mit ihren Gottesdiensten gestört hätten.
Der Fall des christlichen Mädchens ist zu einem Politikum geworden. Ein Anwalt des Mannes, der das Mädchen angezeigt hatte, hatte unlängst mit Gewalt gedroht. „Das Mädchen ist schuldig. Wenn der Staat die Gerichte außer Kraft setzt, wird Gott eine Person finden, die den Job erledigt“, sagte er einem Reporter in Islamabad. Am Sonntag erklärte der Anwalt, die Behörden hätten die Zeugen unter Druck gesetzt, um gegen den Imam auszusagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken