Björn Höcke in Berlin: Beim Griechen in Suburbia
AfD-Rechtsaußen Björn Höcke wollte in Berlin sprechen, schaffte es aber nur knapp. Auf der Bühne am Stadtrand leistete er sich auch einen Fauxpas.
Auricht hat Chancen, als einzige direkt gewählte AfD-Kandidatin aus Berlin in den Bundestag einzuziehen: Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im letzten Jahr bekam die AfD hier in Marzahn-Hellersdorf 23,6 Prozent der Zweitstimmen und wurde so mit einem hauchdünnen Vorsprung vor der Linkspartei stärkste Kraft in dem von Plattenbauten, aber auch Einfamiliensiedlungen geprägten Bezirk. Für den Wahlkampfendspurt hatte sie sich nun also prominente Unterstützung geholt, und das kam gut an: Die knapp 200 Stühle im Saal waren voll.
In der ersten Reihe saßen einige Berliner AfD-Abgeordnete wie der für seine Höcke-Verehrung bekannte Andreas Wild aus Steglitz-Zehlendorf sowie der Brandenburger AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz. Die Führungsriege der Berliner AfD fehlte allerdings – Björn Höcke ist auch in der Partei nicht unumstritten. Vollständig anwesend waren hingegen die Köpfe des Berliner Ablegers der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, deren Vorsitzender Thorsten Weiß neben Höcke und Auricht der dritte Redner an diesem Nachmittag war. Sie sorgten für die nötige Inszenierung: Zu pathetischer Musik führten zwei junge AfDler mit Seitenscheitel und gestärkten Hemden die RednerInnen in den Saal, dabei schwenkten sie je eine riesige Deutschland- und eine Berlinfahne.
In seiner Rede hob Höcke vor allem auf eines seiner Lieblingsthemen ab, die angeblich außer Kontrolle geratene deutsche Bevölkerungspolitik. In düsteren Farben malte er das Bild eines sterbenden deutschen Volkes, das vom „Altparteienkartell“ vorsätzlich abgeschafft würde, um hier „eine Million junge afrikanische Männer anzusiedeln“.
In Potsdam kamen nur 70 Anhänger
Die AfD sei die „einzig authentische Familienpartei“, die diese Entwicklung aufhalten könne, wofür es auch nötig sei, „Europa zumindest temporär zu einer Festung zu machen“. Für seinen Auftritt gab es frenetische „Höcke, Höcke“-Rufe und Standing Ovations, auch wenn er sich gleich zu Beginn einen Fauxpas leistete: Jeanette Auricht hatte ihm zuvor in ihrer Rede von der Bühne aus das Du angeboten, er begrüßte sie anschließend mit „liebe Yvonne“.
Das Publikum, eine Mischung aus ergrauten Herren, Frauen in schicken Kostümen und angetrunkenen Männern mit Bürstenhaarschnitt, verzieh es ihm. Teilnehmen an der Veranstaltung konnte nur, wer sich vorher angemeldet hatte, am Eingang gab es akribische Sicherheitskontrollen. Am Vormittag hatte Höcke in Potsdam unter freiem Himmel vor dem Filmmuseum gesprochen, dort hatten sich aber nur rund 70 AfD-Anhänger eingefunden. Rund 500 Menschen protestierten gegen den Auftritt des für seine Hetzreden bekannten Politikers, die Polizei war mit 400 Beamten im Einsatz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül