Biologin über Gärtnern: „Ein Vorgarten ist kein Wohnzimmer“
Gutes Gärtnern ist eigentlich ganz einfach: Alle Wesen im Kompost leben lassen. Sagt jedenfalls die Biologin Gerlind Lehmann.
taz: Der Frühling hat früh begonnen, die Gartensaison auch. Was mache ich, wenn ich in meinem Komposthaufen Käferlarven finde?
Gerlind Lehmann: Zunächst einmal ist es gut, wenn im Garten ein Komposthaufen steht. Das spricht dafür, dass Sie keinen Schottergarten angelegt haben. Wenn Sie nun zum Beispiel Larven vom Nashornkäfer finden – die bis zu zehn Zentimeter lang werden können – dann legen Sie die vorsichtig zurück und decken sie mit Laub ab. Nashornkäferlarven brauchen drei bis fünf Jahre, bis sie sich fertig entwickelt haben, es wäre schade, wenn Sie diese Entwicklung stören. Nashornkäfer sind geschützt und übrigens interessant: Als es noch Naturwälder gab, lebten die Larven in morschen Bäumen, denn sie ernähren sich von Holzfasern. Als es weniger morsche Bäume gab, siedelten sie in Sägewerke um – und in die Komposthaufen der Siedlungen. Inzwischen kommen sie in Gärten häufiger vor als im Wald.
Gerlind Lehmann
ist außerplanmäßige Professorin für Evolutionäre Ökologie an der Humboldt-Universität Berlin und leitet beim Nabu ein Forschungsprojekt zum Insektenschwund.
Also sind sie Kulturfolger?
Nein, Kulturfolger sind Tiere, die ihre Verhaltensweisen umstellen und an Menschen anpassen, etwa Turmfalken, die auf Kirchtürmen brüten statt in Felsen. Oder Füchse, die nicht mehr jagen, sondern sich aus Mülltonnen bedienen. Nashornkäfer brauchen natürliche Bedingungen.
Okay, der Nashornkäfer bleibt. Gibt es Schädlinge, die ich besser vernichte?
Nein, bitte nichts vernichten. Alles, was in einem Komposthaufen lebt, zersetzt auf die eine oder andere Weise die Nährstoffe darin. Sie brauchen Regenwürmer, Bakterien, Milben, Käferlarven, Springschwänze. Wenn Sie lebende Erde wollen, müssen Sie die Lebewesen darin lassen. Auch im Rest des Gartens: bloß kein Gift, Raupen im Zweifel absammeln und auf den Kompost werfen für die Vögel. Wenn Sie die Natur als Nahrungsnetz betrachten, in dem jede Art etwas bewirkt, dann dürfen Sie nicht einfach etwas herausnehmen. Und bloß nicht zu viel aufräumen, ein Vorgarten ist kein Wohnzimmer. Vögel und Insekten brauchen Strukturen, Laub an den Beeträndern. Und in einer Ecke bleiben Brennnesseln stehen, als Futter für Schmetterlingsraupen.
Viele Insekten überwintern in verblühten Stauden. Wie lang müssen die stehen bleiben?
Entweder bis es wieder richtig warm wird oder bis die Pflanzen frisch austreiben. Dann kann man davon ausgehen, dass die Insekten aus den alten Stängeln raus sind.
Welche Pflanzen brauchen sie dann?
Kommt darauf an. Heuschrecken etwa überwintern in Eiern und schlüpfen erst im März oder April, wenn es schon grün ist. Sie lieben alle Blüten, die gelb sind wie Löwenzahn, Hahnenfuß oder Gänseblümchen, diese enthalten viel Eiweiß. Hummeln hingegen sind früher aktiv, weil sie sich selbst mit ihrem Flügelschlag aufheizen können. Die brauchen Frühjahrsblüher, Krokusse, Narzissen, Tulpen. Pflanzen Sie ungefüllte Sorten, die enthalten im Gegensatz zu den gefüllten Pollen.
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