Biodiversität in Niedersachsen: Artenvielfalt als Beruf
In Niedersachsen gibt es jetzt Biodiversitäts-Berater. Eine davon ist Martina Diehl. Sie vermittelt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.
Osnabrück taz | Martina Diehl hat nun einen schönen Job: sie ist Biodiversitäts-Beraterin. Angesichts des alarmierenden Artenschwunds unserer Tage ist das eine Aufgabe, auf der viel Hoffnung ruht. „Das ist ein Zukunftsthema“, sagt die Agraringenieurin, die bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zuständig für Biotop- und Artenschutz ist. Am Mittwoch stand Diehl Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) gegenüber. Es war die offizielle Amtseinführung für sie und ihre zwei KollegInnen, auf einem Gut bei Hannover.
Diehl sagt über sich selbst, sie sei schon immer an den wissenschaftlichen Zusammenhängen der Natur interessiert, „am Draußensein“. Sie ist Beraterin „mit Herzblut, mit Idealismus“ und versteht sich als „Bindeglied zwischen Naturschutz und Landwirtschaft“. Seit Anfang März ist sie für die Landkreise Peine/Wolfenbüttel zuständig, eine der drei Pilotregionen des BeraterInnen-Projekts, zu dessen Startbesetzung sie zählt. Dort ist sie Mitbegründerin eines Runden Tischs.
„Das war ja bisher nicht vernetzt, der eine Akteur wusste oft nichts vom anderen. Behörden, Landwirte und Umwelt- und Naturschützer reden jetzt miteinander.“ Ein Dialog, der in ein naturschutzfachliches Ziel- und Maßnahmenkonzept münden soll.
Weitere Biodiversitäts-BeraterInnen sollen folgen. Die Posten sind Teil eines neuen Projekts des „Niedersächsischen Wegs“, der Vereinbarung bestimmter Naturschutzziele zwischen Landwirtschaft, Umweltgruppen und Politik.
Die junge Generation ist im Aufbruch
Wie Diehl kommen auch ihre beiden KollegInnen aus der Landwirtschaftskammer (LWK). Die Kammer ist die Interessenvertretung der Landwirtschaft, die der Artenvielfalt „entscheidend“ zusetzt, wie das „Kursbuch Agrarwende 2050“ von Greenpeace mahnt. Das lässt wünschen, dass demnächst auch RegionsvertreterInnen mit Nähe zu NABU oder BUND als BeraterInnen dabei sind. Aber auch so gilt: Um die Ökologisierung der Landwirtschaft führt kein Weg herum.
„Ich nehme eine große Offenheit wahr, ein großes Problembewusstsein“, sagt Martina Diehl. „Gerade bei der jungen Generation – vieles ist jetzt im Aufbruch.“ Zugleich herrsche Verunsicherung: Wie entwickeln sich die politischen Rahmenbedingungen, die Märkte? „Der wirtschaftliche Druck ist hoch, manch bürokratische Hürde auch.“
Diehl, im Gespräch eher zurückhaltend, manchmal fast scheu, entwickelt Power, wenn sie so etwas sagt. Und dann erzählt sie: wie spannend es ist, zu den Pionieren des neuen Beratungssystems zu gehören. Wie viel Gestaltungskraft es erfordert, Konzepte für ganze Landschaftsareale zu entwickeln und dann die Landbesitzer ins Boot zu holen.
Der NABU Niedersachsen, der eine Biodiversitätsberatung erst mit „mindestens“ 30 BeraterInnen erreicht sähe, habe zugestimmt, „dass die BeraterInnen von der LWK entsendet werden“, sagt sein Sprecher Matthias Freter zur taz, nicht zuletzt wegen ihrer „Akzeptanz durch LandwirtInnen“. An einem „Begleitgremium, in dem auch die Umweltverbände vertreten sind“ sei noch zu arbeiten. „Das Tun zeigt, was machbar ist“, sagt Diehl. Man spürt: Sie hat Hoffnung.
Leser*innenkommentare
Willi Müller alias Jupp Schmitz
Ich weigere mich, mich als Defätist zu outen,
aber ist so ein Job nicht ne ziemliche Sysyphos-Arbeit?