Biobauer in Not: Nach der Sintflut kommt die Dürre
Erst wird sein Hof von giftigem Schlamm überschwemmt, weil die Böden der Maisfelder den Starkregen nicht halten. Jetzt trifft ihn die Hitze.
Simon ist Handwerker und betreibt den Hof vor allem aus Leidenschaft. „Da kann ich noch einigermaßen flexibel arbeiten“, sagt er. Andere Ökobauern wollten ihre Äcker schon verkaufen. Im Ergebnis würden wohl die großen Betriebe noch größer werden. Paradox, denn es seien doch „gerade deren Anbaumethoden, die Extremereignisse begünstigen“. Wenn jetzt ein starkes Gewitter komme, werde es noch schlimmer, fürchtet er. Denn die Böden sind komplett zu, „die würden das Wasser nicht aufnehmen können“.
Vor gerade mal acht Wochen hat Simon schon eine Flut erlebt, Haus und Hof waren von Geröll, Schlamm und Wasser überspült. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni ist es, als er ein „komisches Geräusch“ hört. Als er aus dem Fenster blickt, rollt die erste Flutwelle an, „zwei bis drei Meter hoch“.
Der Biohof liegt an einer abschüssigen Straße im rheinland-pfälzischen Dudeldorf, einem kleinen Ort nahe Bitburg. Der 50 Meter entfernte Langbach ist sonst eher ein kleines Rinnsal. Anfang Juni trat er gewaltig über die Ufer, brachte Schlamm und Geröll ins Tal, überschwemmte Höfe, Häuser, Bahngleise und Straßen. Simon hatte gerade das Erdgeschoss des Wohnhauses saniert, neues Bad, neue Versorgungsleitungen, Fußböden.
Zweimal erreichte die Flutwelle den Hof, einmal kam gleichzeitig eine zweite Welle von oben, von den hochgelegenen Feldern über die Dorfstraße. In den Strudeln der braunen Brühe seien mehrere Autos geschwommen, auch der Familien-Volvo, berichtet Simon. Immerhin sei das Auto nicht mit anderen zusammengekracht.
„Schuld ist der Maisanbau“
Seit mehr als 170 Jahren ist der Hof im Familienbesitz. „Noch nie hatten wir hier Hochwasser“, sagt Simon. Dabei gab es auch früher schon ähnliche Starkregen. „Schuld ist die konventionelle Landwirtschaft, vor allem der Maisanbau für die Biogasanlagen“, ist Simon sicher. Die Maisbauern bearbeiten die Felder mit schweren Schleppern und verdichten damit den Boden. Der in breiten Reihen gesäte Mais kann ihn nicht halten. „Die Wege zu den Feldern sind geteert, auf denen rauscht das Wasser bergab und nimmt die Erde von den Feldern mit“, sagt Simon.
Inzwischen hat die Familie den Dreck mit viel Nachbarschaftshilfe aus dem Haus geschafft und die verschlammte Dämmung und die aufgequollenen Bodendielen entsorgt. „Wenigstens die Heizung ist nicht kaputt und die mehrfach durchgespülte Waschmaschine macht zwar komische Geräusche, läuft aber“, sagt Barbara Simon.
Es gibt viele Hinweise darauf, dass der intensive Maisanbau in der Region tatsächlich Überschwemmungen und Erdrutsche begünstigt. Schon im Juni 2016, als das bayerische Simbach am Inn von einer vier Meter hohen Flutwelle überrollt worden war, machte Josef Reichholf den Maisanbau dafür verantwortlich. Der Ökologe ist Honorarprofessor der TU München, er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Umweltverbands BUND und war Präsidiumsmitglied des WWF. Reichholf argumentiert, früher sei der Boden im Frühsommer begrünt gewesen und habe deshalb das Wasser festhalten und aufnehmen können. Die verdichteten und verkrusteten Flächen zwischen den Maispflanzen könnten das nicht, schrieb er damals.
Zwei Jahre später sagt er der taz, seine Mahnungen seien ungehört geblieben. „Die Lobby der Landwirte und die Politiker, zumal in Bayern, wollen das nicht zur Kenntnis nehmen“, so Reichholf. „Dabei ist es offensichtlich: Regenwasser ist klar, die Flutwellen sind milchkaffeebraun, weil die Maispflanzen die Erde nicht halten können und sie weggeschwemmt wird.“
Keine Untersuchung auf Giftstoffe
Unbegreiflich ist ihm, dass niemand untersucht, welche Giftstoffe und Pestizide diese Flutwellen auf Feldern, Gärten, Straßen und in Wohnungen hinterlassen. „Wenn in der chemischen Industrie irgendwo giftige Stoffe austreten, sind wir zu Recht alarmiert. Dabei ist das, was in der Landwirtschaft heute verwendet wird, alles andere als harmlos.“
Andreas Kaiser, promovierter Geograf, betreibt in Trier ein Unternehmen, das Kommunen und Landwirte beim Bodenmanagement berät. Mit Drohnen gewinnt er hochauflösende Daten, mit denen er Profile erstellen und Modelle der Erosionsgefährdung berechnen kann. „Im Prinzip“, argumentiert er, „sind bei Starkregen alle Böden gefährdet, die eine späte Deckung aufweisen.“ Das gelte für alle Ackerfrüchte, bei denen zu Beginn der Vegetation Flächen unbegrünt sind. „Hier ist es nun mal vor allem der Mais, weil die Biogasanlagen gefüttert werden wollen“, sagt er.
57 Biogasanlagen gibt es im Landkreis Bitburg-Prüm, gefördert nach den Richtlinien des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. „Es sind keine Naturgewalten, man kann etwas tun“, sagt Kaiser. Die freien Flächen zwischen dem Mais zu begrünen ist allerdings keine leichte Sache. In Konkurrenz mit Wildkräutern hat die kleine Getreidepflanze keine Chance. Man müsse sich schon auskennen, sagt Kaiser. „Doch wir haben es mit einer Generation von Landwirten zu tun, denen bei Unkraut nur noch das Spritzen mit Pflanzengift einfällt.“
Das FDP-geführte Mainzer Landwirtschaftsministerium sieht keinen Zusammenhang zwischen Maisanbau und Überschwemmungen bei Starkregen: „Die geschilderten Überschwemmungsschäden dem Anbau von Mais zuzuschreiben ist fachlich nicht korrekt“, heißt es auf eine Anfrage der taz. Die zuständige Kreisverwaltung ergänzt: „Rechtliche Möglichkeiten, den Maisanbau generell zu beschränken oder gar zu verbieten, gibt es nicht.“ Allerdings müssten sich die Landwirte an die Vorgaben des Erosionskatasters halten. Es könne beispielsweise verfügen, dass ausschließlich quer zum Hang gepflügt oder die Fläche im Winter begrünt werden müsse. Die Kommunen seien beauftragt, Konzepte zur Hochwasser- und Starkregenvorsorge zu entwickeln, versichern Land und Kreis.
Furcht vor Boden-Erosion
Dabei werden sie wohl oder übel über den Maisanbau reden müssen. Michael Horper jedenfalls, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, hat Diskussionsbedarf. „Wir müssen verhindern, dass unsere Lebensgrundlage, und das sind die Böden, die seit Generationen gepflegt worden sind, weggeschwemmt werden“, sagt er. Eine mögliche Lösung seien alternative Anbaumethoden. „So sollte man an abschüssigen Stellen zumindest Grünstreifen stehen lassen.“ Horper warnt davor, „eine der wichtigsten Kulturpflanzen zu verteufeln“, kann sich aber auch vorstellen, auf besonders erosionsgefährdeten Feldern auf den Maisanbau zu verzichten.
Auf dem Roggenfeld, oberhalb des Dorfes, kann man den Unterschied zwischen konventionellem und biologischem Anbau noch sehen. Mit dem Getreidesamen hatte Simon nicht nur die Wicken, sondern auch Klee ausgesät. Die Wurzeln der Pflanzen schlingen sich ineinander. „So kann der Regen in den Boden eindringen“, sagt Simon. „Meine wichtigsten Mitarbeiter sind die Regenwürmer und die anderen Kleinlebewesen im Boden.“ Nebenan stehen in Reih und Glied die Maispflanzen, dazwischen nackte Erde, auch dank des Pflazengifts Glyphosat. „Diese Böden sind tot“, sagt Simon.
Zwanzig Hektar bewirtschaften die Simons. Vor 13 Jahren haben sie von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Das Futter für die Ziegenherde erzeugen sie selbst. Die Rinderzucht haben sie vor zwei Jahren aufgeben müssen. So arbeitet Barbara Simon nach wie vor in Vollzeit als Ingenieurin für Versorgungstechnik.
1.500 Euro Soforthilfe
Die Familie hatte geplant, nach der Renovierung des Wohnhauses in eine Hühnerzucht zu investieren. Doch wegen der Flut brauchen sie das Geld zunächst für die erneute Reparatur und Sanierung des Gebäudes. Einstweilen teilen sich im Obergeschoss je zwei Kinder ein Zimmer, im Bad ist eine Notküche eingerichtet. Von der öffentlich angekündigten unbürokratischen Hilfe haben sie nicht viel bemerkt. 1.500 Euro Soforthilfe habe es bislang gegeben. Barbaras Arbeitgeber, das Land Rheinland-Pfalz, habe ihr nach langem Hin und her drei Tage Sonderurlaub gewährt.
Die Liste der Flutschäden summiert sich auf 50.000 Euro. Simons hoffen, dass sie wenigstens einen Teil ersetzt bekommen. Voraussetzung dafür sei allerdings der Abschluss einer Elementarschadenversicherung – zusätzliche Kosten, die der Hof nicht hergibt. Ans Aufgeben denken beide trotzdem nicht, auch wenn sie als Biobauern noch ein ganz anderes Problem haben nach Flut und Dürre: Das Schlammwasser hat auf den Feldern und Wiesen Geröll, Müll, aber auch Pestizide hinterlassen.
Es wird dauern, bis dort wieder Bioqualität wachsen kann. „Ich muss sowieso an den Rändern meiner Äcker einen Streifen frei lassen, denn die Nachbarn spritzen Dünger und Gift bis an die Grenze. Wind und Regen tragen die Stoffe auch auf meine Felder und die Kontrolleure machen mich und nicht die Nachbarn dafür verantwortlich.“
Jetzt soll erst mal die Wohnung fertig werden, dann kommen die Hühner, und da ist ja die 30-köpfige Herde der Thüringischen Waldziegen mit ihren eindrucksvollen Hörnern, die sich vor der Flut in Sicherheit gebracht hatten. Mit ihnen soll bald die Fleischvermarktung wieder neu beginnen, Käse werden sie nur für den Eigenbedarf produzieren können. „Die Investitionen für eine Käserei wären wegen der vielen Vorschriften viel zu hoch; sie wollen uns kleine Betriebe nicht“, klagt Manfred Simon. Er habe die Leidenschaft für die natürliche Landwirtschaft von seinem Opa gelernt. Der zehnjährige Sohn Bastian möchte den Biohof am liebsten irgendwann einmal übernehmen, sagt er heute. Vorerst besucht er das Gymnasium und hofft, wie die ganze Familie, dass die Bauarbeiten im Erdgeschoss ihres Hauses bald abgeschlossen sind.
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