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Bildungsungerechtigkeit in CoronazeitenDie digitale Kluft überwinden

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Kinder müssen beim Lernen zu Hause freien Zugang zur Technik bekommen. Irre? In Schweden ist das Standard.

Große Baustelle: Das digitale Lernen hält Einzug in Deutschland Foto: Karsten Thielker

I n den verwaisten Schulen passiert gerade etwas Wunderbares: Das digitale Lernen hält Einzug. Lernplattformen, die kaum jemand kannte, ächzen unter Zugriffen. LehrerInnen haben E-Mail-Adressen und müssen nicht mehr über Mitteilungshefte angeschrieben werden. Aufsätze können jederzeit mit der ganzen Klasse geteilt werden. Allerdings haben nicht alle Zutritt zu dieser wunderbaren Onlinewelt. Die Gefahr, dass eine existierende Kluft breiter wird, steigt ausgerechnet mit dem Einzug der Technik, die alle verbinden soll.

Wenn die ganze Klasse über eine Lernplattform kommuniziert bis auf zwei SchülerInnen, die ohne WLAN zu Hause sind, dann sind die erst mal raus. Zumal alle alternativen Lernorte, etwa Bibliotheken, gegenwätig geschlossen sind. Für diese SchülerInnen werden die Coronaferien zu Zwangsferien.

Gleiches gilt, wenn LehrerInnen vor den Schulschließungen Stapel von Arbeitsblättern verteilt haben und ihre SchülerInnen nur über die E-Mail-Adressen der Eltern erreichen. Nicht alle Kinder sind von sich aus so diszipliniert und setzen sich täglich an ihren Schreibtisch, vorausgesetzt, sie haben überhaupt einen. In Familien, bei denen es den nicht gibt, fallen dann oft auch die Eltern als engagierte HilfslehrerInnen aus.

Deshalb müssen PolitikerInnen jetzt dringend klären, wie alle SchülerInnen digital lernen können. Der Begriff „digitale Kluft“ wirkt in Zeiten, in denen fast jedeR ein Smartphone besitzt, anachronistisch. Es gibt sie aber. Es ist ein Unterschied, ob man in der Lage ist, lustige Bilder bei Snapchat zu posten oder am Laptop ein Dokument zu bearbeiten. Beides irgendwie digital, aber für die Schule ist nur Letzteres hilfreich.

In Zeiten der Krise bekommen Bedürftige Grundsicherung. Eine digitale Grundsicherung muss es auch für Kinder geben. Ihre Schulen brauchen jetzt Geld und Know-how, um ihre Netze auf- und auszubauen. Jedes Kind sollte bei Bedarf einen Laptop gestellt bekommen, alle Familien mit schulpflichtigen Kindern haben das Recht auf einen kostenlosen Internetanschluss. Klingt irre? In Schweden ist beides längst Standard.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Aktuell recht sich der teils miserable Breitbandausbau. Home Office in Vollzeit zu zweit auf einer 1Mbit/s Leitung? Nebenbei die Kinder beschulen? Läuft!

  • Das Problem ist aber vor allem, wie Kinder mit vorhandener Technik den Stoff lernen, wenn sie damit von hause aus Schwierigkeiten haben. Die Lern-App lernt nicht für die Kinder.



    Im Feld der Erwerbslosen-Trainings gibt es seit langem viele Angebote im virtuellen Lernraum. Die meisten ziehen dem Präsenzlernen vor und es kommt auf eine gute Seminardidaktik an.



    Das ist jetzt nicht durchführbar - es wird sich also ein Rückstand stauen bei den Kindern, die sich selbst überlassen sind.

  • Unabhängig davon, was man vom digitalen Lernen hält, es kann unmöglich das Mittel gegen Bildungsungerechtigkeit sein. Als würden Lern-Apps die Bildungsunterschiede der Elternhäuser wegzaubern und Tablets die Kinder noch lieber Literaturgattungen lernen lassen.

    Die Forderungen nach digitaler Schule sind eher das Mittel der Wahl, wenn unreflektierter Fortschrittsglaube und ein instrumentelles Vernunfstverständnis einen großen Bogen um den Elefant im Raum machen.

    • @pitpit pat:

      Es geht nicht um Lern-Apps im Artikel sondern um schnöde Technik, die den Zugang zu Informationen (digitale Bücher, Tutorials, Lexika, Filme ... ) ermöglicht.

    • @pitpit pat:

      Meine Wahrnehmung in der Debatte ist auch die, dass es da immer um Selbstlernprogramme geht, die vermeintlich dann die Lehrer überflüssig machen.

      Es gäbe schon gute Programme um den Unterricht zu bereichern über die wird nur meistens nicht gesprochen. Im deutschen Museum in München gibt's zum Beispiel eine Station, an der komplexe mathematische Formeln in ein Bild umgesetzt werden. Da ist dann gleich ersichtlich, wie sich die Form verändert, wenn mit den Werten von x, y usw. gespielt wird.

      Oder eben Software nutzen um Filme selbst zu produzieren.

      • @Vroni M.:

        Ich finde auch, dass es sinnvolle Möglichkeiten für digitales Lernen gibt. Komplexe Formeln im Koordinatensystem sind ein schönes Beispiel.

        Eine grundsätzliche Gefahr sollte man meiner Meinung nach dabei nicht aus den Augen lassen:



        Erkenntnisprozesse lassen sich nicht abkürzen; Ein anstrengungsloses Verstehen ist ähnlich erstrebenswert wie Sport ohne Schweiß.



        Nur leider scheint dies die Erwartungshaltung an das digitale Lernen zu sein.

        Dabei hat sich die Bildungstheorie in der Praxis ohnehin schon zu einem kümmerlichen Abbild ihrer selbst entwickelt. In der Grundschule werden die Kinder mit Lückentexten, Wörterschlangen, Silbenspielen und ähnlichem beschäftigt, in der Hoffnung, dass aus dem ganzen KleinKlein irgendwann - wie durch Zauberhand - Bildung wird.



        Gerade die Fähigkeit, zwischen der eigenen Person und dem Wissen eine Verbindung herzustellen, in der Lage sein, sich selbst zu erkennen und diese Erkenntnisse auch schriftlich ausdrücken zu können, kurz: Bildung nicht als eine Aneignung von Stoff und Fertigkeiten zu begreifen, sondern als Möglichkeit, das Welterkenntnis und Selbsterkenntnis sich kritisch ineinander spiegeln und befruchten - tja, das wäre was ;)

  • Und damit dann auch wirkliche Digital- und IT-Kompetenz rauskommt sollte quelloffene, hackbare Hard- und Software verwendet werden