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Bildungsstreit in HamburgEltern bleiben cool

Trotz Niederlage: 870 Fünftklässler starten in die abgewählte Primarschule. Primarschul-Gegner wollen klagen. Schulsenatorin Goetsch sichert Eltern "Vertrauensschutz" zu.

"Keine Perspektive" für die Primärschule, dafür aber "Vertrauensschutz": Bildungssenatorin Christa Goetsch. Bild: dpa

HAMBURG taz | "Niclas ist mein Freund", sagt der neunjährige Jannis und legt ihm den Arm um die Schulter. Sie sitzen nebeneinander in einer jahrgangsübergreifenden Klasse der Grundschule Grumbrechtstraße und malen ihr neues Klassenplakat. Dass Niclas dort sitzt, ist ein Politikum. Denn er ist Fünftklässler. Einer von rund 870 "Starterschülern", die nach dem Willen der Anti-Primarschul-Initiative "Wir wollen lernen" sofort abgemeldet werden müssten.

Es war mitten in den Ferien, als der schwarz-grüne Senat den Volksentscheid zur sechsjährigen Primarschule krachend verlor. Damit war klar: Die Grundschulzeit endet weiter nach Klasse vier. Doch es gibt einen Pionierjahrgang an 23 "Starterschulen", der schon 2009 mit dem neuen Konzept begann. Jetzt sollten diese Kinder die ersten Fünftklässler an Primarschulen sein. Behördenvertreter hatten versichert, dass es für den Fall eines verlorenen Volksentscheids keine Probleme gäbe.

Womit sie nicht gerechnet hatten: Der Sprecher der Volksinitiative Walter Scheuerl, der vor einigen Monaten selbst Pilotversuche vorgeschlagen hatte, macht Front dagegen. Im Duett mit Springer-Medien und SPD baut er Druck auf, um einen Schulversuch zu verhindern. Hier werde versucht, die Primarschule "durch die Hintertür" einzuführen. Scheuerl droht mit einer Klage und erwägt jetzt als Wählergemeinschaft zur nächsten Wahl anzutreten, um Pilotschulen zu blockieren.

"Für uns waren die letzten Wochen wie eine Achterbahnfahrt", sagt Sylke Känner, Elternrätin und Mutter eines Fünftklässlers der Grumbrechtstraße. "Keiner hat damit gerechnet, dass die Starterschulen in Frage stehen." Eltern und Lehrer trafen sich in den Ferien. "Alle wollen, dass das längere gemeinsame Lernen fortgesetzt wird", sagt Schulleiter Rainer Kühlke.

Die Schulbehörde schickte allen Eltern einen Brief, sie dürften ihre Kinder ummelden. Zugleich sicherte die grüne Schulsentatorin Christa Goetsch den Eltern "Vertrauensschutz" zu. Was heißt: Die angemeldeten Kinder können einmalig für die 5. und 6. Klasse an der Schule bleiben. Doch sie sagte auch, die Primarschule habe "bildungspolitisch in den nächsten Jahren keine Perspektive". Ein Zugeständnis an die SPD, die vor dem Volksentscheid für die Reform eintrat, jetzt aber im Sinne eines "Schulfriedens" einen Schulversuch verhindern will. Einzig die Linke tritt offensiv dafür ein.

Mit Spannung wird nun abgewartet, wie viele Eltern sich dem Druck beugen und ihre Kinder abmelden. Bis gestern waren der Behörde nur 6 Fälle bekannt.

"Wir haben keine einzige Abmeldung", sagt Annette Berg von der Primarschule Langbargheide in Hamburgs Nordwesten. Auch an der Grumbrechtstraße bleiben alle 60 angemeldeten Kinder. Offen ist, wie es weitergeht. Die Behörde wird keinen Schulversuch ausschreiben, aber eine einzelne Schule kann dies beantragen. "Die Eltern der Viertklässler beschäftigt das", sagt Elternrätin Känner.

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4 Kommentare

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  • P
    Pan

    Ich verstehe den Aufruhr ehrlich gesagt nicht. In Berlin, Brandenburg und den meisten europäischen Ländern sind sechs Jahre Grundschule normal. Danach kann sich ein Kind viel leichter entscheiden, welchen Schultyp es danach wählt. Warum soll das in Hamburg nicht funktionieren?

     

    Und: obwohl in Berlin sechs Jahre Grundschule normal sind, gibt es Gymnasien, die mit der fünften Klasse anfangen. Und das geht! Kuckstu.

  • MJ
    Martina J.

    Die geringe Zahl der Ummeldungen kann man ganz einfach erklären: der größte Teil der Kinder an den Starterschulen hätte wahrscheinlich keine Gymnasialempfehlung bekommen - da die für die Starterschulen angemeldeten Kinder aber gar keine Empfehlung bekommen haben, lässt sich das allerdings nicht nachprüfen.

    Da aber in der gesamten Primarschul-Diskussion (allerdings ohne wissenschaftliche Grundlage) von den Befürwortern quasi geradezu versprochen wurde, dass durch das „längere gemeinsame Lernen“ gerade leistungsschwächere Kinder mehr Zeit bekommen, sich zu entwickeln, werden sich viele dieser Eltern Hoffnung machen, dass ihre Kinder in den zwei Jahren Primarschule vielleicht doch noch „reif fürs Gymnasium“ werden könnten.

    Da aber aus den Lehrplänen für die Primarschulen ganz klar ersichtlich ist, dass die Anforderungen insbesondere in den Fremdsprachen erheblich niedriger sind als an den Gymnasien, könnten diese Kinder dort in den 7. Klassen ganz schön Probleme bekommen.

    Insbesondere Eltern, die noch keine Kinder auf einem Gymnasium haben, können das natürlich überhaupt nicht einschätzen.

    Man kann nur hoffen, dass diese „Ausnahmeregelung“ sich nicht als Bumerang für die Kinder erweist.

  • DA
    der andersdenker

    "wenn ihre Mitschüler auf den Stadtteilschulen und Gymnasien jetzt zwei Jahre lang Gas geben können und fachlich gefördert werden?"

     

    oh mann, das sind doch kinder, die sollen erst mal das leben kennen lernen

  • J
    Johanna

    Mit Kuschelpädagogik auf's Abstellgleis

     

    Als Mutter von 3 Kindern kann ich die Eltern nicht verstehen, die ihre Kinder auf den Starterschulen lassen. Glauben sie wirklich, dass die Kinder dort den Anschluss schaffen, wenn ihre Mitschüler auf den Stadtteilschulen und Gymnasien jetzt zwei Jahre lang Gas geben können und fachlich gefördert werden? Und vor allem: Wie soll der Übergang i die Klasse 7 laufen? Wen dann noch gilt, dass ein Abschulen nkicht möglich ist, käme nur das absurde Probejahr für diese Kinder in Betracht. Sie wären dann von vornherein Mitschüler zweiter Klasse in Klasse 7.

     

    Dass Frau Goetsch DAS zulässt, halte ich für unseriös und ideologisch verblendet.