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Bildungspolitik unter Rot-Rot-GrünDie sture Pragmatikerin

Im Bildungsressort sind kaum Lorbeeren zu gewinnen. Das ist nicht immer die Schuld von Senatorin Sandra Scheeres (SPD), wird ihr aber angelastet.

Nicht nur ein Berliner Problem: der Mangel an Lehrkräften Foto: Jürgen Ritter/imago

Berlin taz | Zwei Themen hingen Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wie Klötze an den Beinen: der Fachkräftemangel und die maroden Schulbauten. Beides sind Großbaustellen, die sich kaum innerhalb einer Legislatur abräumen lassen – und für die Scheeres nicht allein verantwortlich war, aber sehr häufig allein in der Kritik stand.

Auch deshalb, weil ihre Lösungen meist nicht als solche wahrgenommen wurden – sondern, im Gegenteil, als Potenzierung des Problems. Die Quereinsteigenden etwa, das zentrale Instrument, mit dem Berlin dem bundesweiten Lehrermangel begegnet: Es stimmt, dass man ein aus der Not geborenes Instrument schwerlich als Erfolgs­story verkaufen kann.

Zumal die EinsteigerInnen sich oft ausgerechnet an den Schulen sammeln, die – verdient oder unverdient – einen schlechten Ruf haben. Aber mehr als 10 Prozent Lehrkräfte, die selbst noch lernen müssen, sagen SchulleiterInnen, könnten Kollegien kaum verkraften – weil auch die Quereinsteigenden nur so gut sein können, wie ihre Betreuung ist.

Scheeres, so viel ist klar, hat viel zu zögerlich auf den Lehrermangel reagiert: Erst seit 2019 greifen die Hochschulverträge, mit denen Berlins Unis verpflichtet werden, die Kapazitäten in den Lehramtsstudiengängen deutlich hochzufahren. Aber ihr Notfallmanagement hat funktioniert – bei aller Detailkritik, die man etwa an der Ausbildung der QuereinsteigerInnen üben mag.

Bei der Schulbauoffensive, dem anderen Megathema in Scheeres’ Ressort, ist es ähnlich. Das größte Investitionsprojekt der scheidenden Koalition kam schon 2017 um Jahre zu spät. Zumal die Umsetzung sich bei den meisten Projekten in den Zuständigkeiten von Bezirken, zwei Senatsverwaltungen und der landeseigenen Howoge verheddern.

Dass Scheeres aber, wie der als BER-Retter gefeierte Engelbert Lütke-Daldrup, trotz der gewissen Aussichtslosigkeit einer Zuspätkommenden mit einem beinahe stoischen Pragmatismus an die Sache heranging, ging unter.

Das Problem, wie eine Abgeordnete der Koalition sagt: Die Ergebnisse sind am Ende ihrer Amtszeit nicht da

Doch auch das hört man immer wieder, wenn man mit Menschen spricht, die ihre Arbeit lange begleitet haben: Scheeres könne zuhören, frage nach, nehme Pragmatiker mit ins Boot, sei sich für Beratung nicht zu schade. Dies zeige sich etwa an der Expertenkommission, die sie zur Verbesserung der Unterrichtsqualität eingesetzt hat, obwohl ihr klar gewesen sein müsse, dass diese ein relativ vernichtendes Urteil zum Zustand der Berliner Schulen fällen würde.

Von anderen, insbesondere aus den Reihen der Gewerkschaft GEW, aber auch von ParlamentarierInnen hört man: Mit Experten habe sie sich zwar gerne umgeben, aber eine wirklich demokratische Beteiligungskultur habe es unter ihr nicht gegeben.

Das Problem, wie eine langjährige Abgeordnete der Koalition sagt: Die Ergebnisse sind am Ende ihrer Amtszeit nicht da. Es gibt immer noch zu viele Kinder und Jugendliche, die unterdurchschnittlich gut lesen und rechnen können. Es gibt immer noch zu viele, bei denen es nicht gelingt, soziale Herkunft und Bildungschancen zu entkoppeln. Was die messbaren, die sichtbaren Ergebnisse angeht, hat Scheeres nicht geliefert: nicht beim Schulbau, nicht bei der Beseitigung des Fachkräftemangels und der Verbesserung der Schulqualität.

Ein Problem hatte Scheeres in ihrer zweiten Amtszeit nicht: Geld. Das war genügend da im Haushalt. Und weil man sich mit Geld nicht alles kaufen kann, etwa fertig ausgebildete Lehrkräfte, oder zumindest nicht alles sofort, zum Beispiel schöne neue Schulen mit Internet drin, machte Scheeres woanders Geschenke. Die kostenfreie Kita etwa: Schrittweise wurde die Beitragsfreiheit eingeführt. Genauso das kostenlose Schulessen, kostenlose Schulbücher an den Grundschulen, der gebührenfreie Hort in den ersten beiden Schuljahren.

Das kann man nun wahlweise unter sozialer Gerechtigkeit verbuchen oder schlicht populistisch finden, weil: Warum sollen die, die es können, nicht zahlen? Baustellen, in die statt der Gebührenfreiheit investiert werden könnte, hätte diese Senatorin ja zur Genüge gehabt: Schulsozialarbeiter oder -psychologen, alles Mangelware. An den Gymnasien hat die Ausstattung mit Schulpsychologen überhaupt erst begonnen. Auch hier: Warum so spät?

Was funktioniert hat, ist Scheeres’ pragmatisches Krisenmanagement: Die Anbindung der Schulen ans Breitband dauert noch 10 Jahre? Dann eben LTE-Router in die Steckdosen gestöpselt. Scheeres zeichne eine Dickfelligkeit aus, sagt jemand, der sie lange begleitet hat, und meint das nicht negativ. Auch in der Coronakrise kam sie damit durch: Die Warn-Ampel, mit der jede Schule wöchentlich auf einer Skala von Grün bis Rot eingestuft wurde, hat im vergangenen Herbst gut funktioniert.

Was bleibt: die großen Baustellen, für die nun auch noch weniger Geld da sein wird. Auch für Scheeres’ Nach­fol­ge­r*in wird es nicht viel zu gewinnen geben. Was könnte sie ih­rer*m Nach­fol­ge­r*in raten? Stur bleiben, vielleicht.

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