Bildungspolitik in Baden-Württemberg: Grüne Jugend schockt Kretschmann
Der Parteinachwuchs der Grünen in Baden-Württemberg will das Gymnasium abschaffen. Nicht nur die schwarz-gelbe Opposition ist empört.
Die Jugendorganisation will ihre Forderung im Dezember im Landtagswahlprogramm der Grünen unterbringen. Ebenso wie eine Kindergartenpflicht für Kinder ab drei Jahren. Damit steht sie allerdings quer zum offiziellen Zweisäulenmodell der grün-roten Regierung. Im Rahmen ihrer Bildungsreform soll das Gymnasium ausdrücklich neben der neu eingeführten Gemeinschaftsschule erhalten bleiben.
Noch am Sonntag widersprach die Landesvorsitzende der Grünen, Thekla Walker, denn auch der Forderung der Junggrünen: „Die Antwort ist ganz klar: nein“, sagte Walker. Die Partei halte am Gymnasium fest. Und SPD-Fraktionschef Claus Schmidel sagte, für so ein Vorhaben müssten sich die Grünen einen neuen Koalitionspartner suchen.
Für die Opposition, die im Vorwahlkampf bisher wenige Themen setzen konnte, ist der Vorstoß der jungen Grünen eine Vorlage: Union und FDP hatten sich stets gegen die Gemeinschaftsschule ausgesprochen und der Regierung unterstellt, das Gymnasium dadurch schleichend abschaffen zu wollen.
Jetzt fühlt sich CDU-Landeschef Thomas Strobl bestätigt: Die Grüne Jugend spräche nur aus, was das wirkliche Ziel der „Bildungsideologen“ sei, sagte er am Montag. Der Parteinachwuchs der Union kündigte sogar an, aus der Landtagswahl eine „Volksabstimmung für das Gymnasium“ zu machen, falls Kretschmann nicht schnell für Klarheit sorge.
Kretschmann verteidigt das Gymnasium
Allerdings ist allerdings längst bekannt, was Kretschmann von den Positionen der Grünen Jugend hält. Die Forderung, das Gymnasium abzuschaffen, hat der Parteinachwuchs schon im Frühjahr gefasst und bei einer öffentlichen Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten diskutiert. Mit wenig Erfolg.
Kretschmann hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er bei Bildungsreformen zu den Bremsern zählt. Mit Blick auf die Bilanz der grün-roten Regierung hatte er im Oktober im Gespräch mit der taz erklärt: „In der Bildungspolitik haben wir zu viel auf einmal getan. Das hat uns sehr viele Probleme bereitet.“ Man müsse Lehrer und Eltern bei den Reformen mitnehmen.
Gerade war über den Sommer etwas Ruhe in die Debatte über Schulformen und den von rechtsprotestantischen Kreisen unter dem Schlagwort „Frühsexualisierung von Kindern“ bekämpften „Aktionsplan für Akzeptanz“ eingekehrt. Selbst die Union hatte erklärt, sie wolle die Bildungspolitik von Grün-Rot im Falle eines Sieges nicht gänzlich zurückdrehen. Denn es zeigt sich, dass die Gemeinschaftsschulen vor allem auf dem Land dafür sorgen, dass Kinder auch bei sinkenden Schülerzahlen eine weiterführende Schule in ihrer näheren Umgebung finden.
Die Regierung weiß, wie zerbrechlich diese Ruhe ist und wie gefährlich eine Bildungsdebatte für die Koalition sein kann, die nach aktuellen Umfragen derzeit keine Mehrheit mehr hätte. Für Kretschmann kommt die Bildungsdebatte der Parteijugend denn auch zur Unzeit. „Wer sich am Gymnasium vergreift“, warnt der ehemalige Gymnasiallehrer immer wieder, „überlebt das politisch nicht.“
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