Bildungspolitik bei der NRW-Wahl: Schleudersitz Schulministerium
An der Bildungspolitik entscheiden sich oft Wahlen. Für die mäßig erfolgreiche FDP-Ministerin Yvonne Gebauer könnte es bei der NRW-Wahl eng werden.
W enn die Menschen in Nordrhein-Westfalen am Sonntag wählen, dann stimmen sie auch über die Schulpolitik von CDU und FDP ab. Für zwei Drittel ist das Thema „wichtig bis sehr wichtig“ für die Wahlentscheidung, zeigt eine Forsa-Umfrage zur Landtagswahl – deutlich mehr als in anderen Bundesländern. In Schleswig-Holstein beispielsweise gaben nach der Landtagswahl vergangenen Sonntag nur 14 Prozent an, dass Bildung die größte Rolle bei ihrer Wahlentscheidung gespielt habe.
Schulpolitik ist Ländersache. In kaum einem anderen Politikfeld kann eine Landesregierung so frei gestalten. Oder, anders formuliert: Wer es verbockt, das Ganztagsangebot auszubauen, genügend Studienplätze für Lehrkräfte zu schaffen oder nachvollziehbare Coronaregeln an Schulen aufzustellen, kann schlecht mit dem Finger auf Berlin oder Brüssel zeigen. Die Zufriedenheit mit der Bildungspolitik sagt deshalb auch immer viel darüber aus, wie zufrieden die Menschen mit ihrer Landesregierung sind.
Für die FDP, die in NRW seit fünf Jahren das Schulministerium inne hat, sieht es deshalb Tage vor der Wahl bescheiden aus: Mit dem Zickzack-Kurs in der Pandemie, der Unfähigkeit, den Lehrermangel in den Griff zu kriegen und den uneingelösten Wahlversprechen – Stichwort Unterrichtsgarantie – hat FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer nicht gerade für sich und ihre Partei geworben.
Die Quittung liest sich Tage vor der Wahl wie folgt: Gerade mal 7 Prozent der Bürger:innen halten die Liberalen für kompetent in Bildungsfragen, drei Viertel sind generell unzufrieden mit der Schulpolitik. Jeder Fünfte hält Bildung sogar für das „wichtigste Problem im Land“. Kein Wunder, dass die Demoskopen den Liberalen eine herbe Wahlniederlage voraussagen. Auch die CDU verliert laut jüngsten Umfragen ein paar Prozentpunkte. Für Schwarz-Gelb wird es wohl nicht erneut reichen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Düsseldorfer Landesregierung für ihre Schulpolitik abgestraft wird. 2017 traf es Rot-Grün, die bei Schulen viel Neues gewagt hatten und damit bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht punkten konnten. Den Aufbau von integrierten Gesamtschulen – ein Herzensprojekt der grünen Schulministerin Silvia Löhrmann – werteten viele als Kulturkampf zwischen „Einheitsschule“ und Gymnasium.
Das zu lange Festhalten am Turbo-Abitur nach 12 Schuljahren brachte viele Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte gegen die Regierung auf. Auch die Inklusion funktionierte nicht so, wie Löhrmann es versprochen hatte. Am Ende sprachen gerade einmal 6 Prozent den Grünen die höchste bildungspolitische Kompetenz zu – nach der anschließenden Wahlniederlage zog sich Löhrmann komplett aus der Politik zurück.
Gut möglich, dass das NRW-Schulministerium nun auch für ihre Nachfolgerin zum Schleudersitz wird. Auch CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst kritisiert Gebauer mittlerweile unumwunden: „Wir haben beim Thema Schulpolitik noch eine ganze Menge Luft nach oben“, sagte er kürzlich in einem Interview.
Deutlicher kann man nicht sagen, dass die zuständige Ministerin zum Problem für die eigene Wiederwahl geworden ist. Und Gebauer? Kann höchstens darauf hoffen, dass der Krieg in der Ukraine und die steigenden Preise die Schulpolitik bei der Landtagswahl doch noch in den Hintergrund drängen. Für eine Schulministerin, die ihrem Wahlvolk weltbeste Bildung versprochen hat, ist das kein gutes Zeichen.
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