Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen

Krimi in NRW: Bei der Wahl am Sonntag geht es zwischen Ministerpräsident Wüst (CDU) und Herausforderer Kutschaty (SPD) bis zuletzt um jede Stimme.

Thomas Kutschaty Spd und Hendrik Wüst CDU stehen im TV Studio

Kutschaty und Wüst beim TV-Duell der Spitzenkandidaten am 12. Mai Foto: Oliver Berg/dpa

BOCHUM taz | In Nordrhein-Westfalen könnte der Sonntagabend zum Politkrimi werden. Vor den Landtagswahlen liefern sich CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty ein äußerst knappes Rennen – mit leichtem Vorsprung für Wüst: Letzte Umfragen sehen die Christ­de­mo­kra­t:in­nen bei 30 bis 32, die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen leicht dahinter bei 28 bis 29 Prozent. Wer am Sonntagabend um 18 Uhr bei der „kleinen Bundestagswahl“ im größten Bundesland mit seinen rund 18 Millionen Menschen vorn liegen wird, ist längst nicht ausgemacht. Auf etwa 3 Prozent wird die Fehlertoleranz der Erhebungen geschätzt.

Zum Königsmacher dürften die Grünen werden, für die sich zwischen 16 und 18 Prozent entscheiden wollen. Deren Spitzenkandidatin Mona Neubaur hält sich ein Bündnis sowohl mit Wüst als auch mit Kutschaty offen. „Wer Grün will, muss Grün wählen“, erklärt die 44-Jährige seit Wochen mantraartig. Das bedeutet: Wer den Drittplatzierten bei mehr Klimaschutz, bei der Energie- und Verkehrswende am weitesten entgegenkommt, wird Regierungschef. „Es gibt keinen Automatismus für Koali­tio­nen“, sagt Neubaur.

Doch klar ist: Das seit 2017 mit nur einer Stimme Mehrheit im Landtag regierende Bündnis aus CDU und FDP wird abgewählt. Die FDP liegt derzeit mit 6 bis 8 Prozent etwa gleichauf mit den Rechtsextremisten der AfD. Mit 3 Prozent nicht ins Landesparlament schaffen dürfte es die Linke.

Neubaur hofft auf ein Zweier-Bündnis, in dem „die Verständigung einfacher“ sei – also auf den NRW-Klassiker Rot-Grün oder eben Schwarz-Grün. Machtoptionen für die FDP bietet nur Jamaika – oder eine Ampel wie im Bund. Kutschaty erklärt jedenfalls, auch dann eine Regierungsbildung versuchen zu wollen, wenn die SPD nicht die stärkste Kraft im Landtag wird.

Wüst und Kutschaty setzen auf die politische Mitte

Auf den letzten Metern punkten wollen Wüst und Kutschaty in der politischen Mitte. Deutlich wurde das beim TV-Duell im WDR am Donnerstagabend, bei dem sich beide zum einzigen Mal in diesem Wahlkampf allein gegenüberstanden. Beide traten sachlich und höflich auf, beide warben mit mehr Po­li­zis­t:in­nen, mehr Lehrer:innen, mehr Wohnungen. Unterschiede wurden dennoch deutlich.

Beide zeigten sich erschüttert über den vereitelten Anschlag eines offenbar rechtsextremistischen 16-jährigen Schülers auf ein Gymnasium in Essen-Borbeck. Während Wüst es schnell schaffte, mit Warnungen vor „Clan-Kriminalität“ einmal mehr Stimmung gegen Mi­gran­t:in­nen zu machen, mahnte Kutschaty, der selbst in Borbeck lebt, mehr Prävention an. Selbst CDU-Innenminister Herbert Reul hatte erklärt, bei dem geplanten Amoklauf könne es sich auch um den „dringenden Hilferuf eines verzweifelten jungen Mannes handeln“, den „massive psychische Probleme und Suizidgedanken“ trieben.

Punkten konnte Kutschaty mit seiner Forderung nach jährlich 100.000 neuen Wohnungen in NRW. Er setzt auf mehr öffentlichen Wohnungsbau, fordert kostenlose Kitas. Wüst konterte mit Erfolgen seiner Regierung – mit schnellem Internet an 70 Prozent der Schulen, mit 700.000 Laptops für Schü­le­r:in­nen aus finanzschwachen Familien, mit 400.000 neuen Arbeitsplätzen seit 2017. Verkehrspolitik war dagegen kein Thema.

Dabei war Wüst bis zum Abgang des katastrophal gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet selbst Verkehrsminister, und es werden an diesem Wochenende erneut Tausende für eine Stärkung des Radverkehrs demonstrieren. Probleme machen Wüst auch Streiks an den Unikliniken: Die Beschäftigten fordern nicht mehr Geld – sondern ein Ende der „krankmachenden Arbeitsbedingungen“.

Wahlkampf bis zur letzten Minute

Kämpfen werden beide bis zum Samstagabend. Kutschaty erwartete am Freitag SPD-Kanzler Olaf Scholz, Parteichef Lars Klingbeil und die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal in Köln, macht am Samstag in Essen, Düsseldorf und Gelsenkirchen Straßenwahlkampf. Die um einen progressiven Anstrich bemühte CDU nennt das „Canvassing“. Wüst setzt auf Schleswig-Holsteins Wahlsieger Daniel Günther, ist auf dem Land etwa in Steinfurt und Minden-Lübbecke unterwegs. Beide wissen: Am Sonntag könnten wenige tausend Stimmen wahlentscheidend sein.

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