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Bildung in SyrienEinsteigen bitte – und lernen!

In Syriens Rebellengebiet erhalten viele Kinder kaum Schulbildung. Das Erdbeben hat die Lage verschärft. Nun kommen mobile Schulen zu den Kindern.

Im Bildungsbus der Hilfsorganisation Orange Foto: Moawia Atrash

Idlib taz | Ein halbes Jahr nach dem Erdbeben, das am 6. Februar die Türkei und Syrien heimsuchte, zeigen sich die Auswirkungen auf den Bildungs- und Gesundheitssektor in Syrien. Etliche Schulen im schwer betroffenen Nordwesten des Landes wurden zerstört und sind weiter außer Betrieb. Viele Schü­le­r*in­nen gehen nicht mehr zur Schule. In einigen Schulgebäuden, die das Erdbeben unbeschadet überstanden haben, wurden zudem obdachlos gewordene Familien untergebracht.

Laut der UN-Nothilfe-Organisation Ocha benötigen allein im Nordwesten Syriens mehr als eine Million Kinder schulische Unterstützung. Die Kinder liefen Gefahr, aufgrund des Erdbebens die Schule abzubrechen. Unicef sprach von fast zwei Millionen Kindern, deren Bildung durch das Erdbeben unterbrochen worden ist.

Fast die Hälfte der mehr als vier Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen Nordwestsyriens lebt in Lagern, viele davon sind Kinder. Die Hilfsorganisation Care zählte nur 196 Schulen in über 1.000 Vertriebenenlagern – „eine sehr geringe Anzahl, wenn man die Zahl der Kinder berücksichtigt, die in überfüllten Lagern leben“.

Keine syrische Stadt wurde von dem Beben stärker betroffen als Dschinderes nahe der Grenze zur Türkei. Fast alle Schulen hier und in der Umgebung sind außer Betrieb. Die türkisch-syrische Nichtregierungsorganisation Orange hat deshalb in Dschinderes ein Bildungsprojekt in Bussen gestartet, das sich an Mädchen und Jungen im Alter von 6 bis 12 Jahren richtet. In den Bussen erhalten die Kinder nun Unterricht. Täglich verkehren die Busse zwischen den Lagern rund um Dschinderes.

Der zehnjährige Dschamal Ali ist ein Schüler der vierten Klasse. Zusammen mit seinen Freunden lernt er in den Bussen von Orange. Jamal und seine Familie wurden aus dem Umland von Aleppo vertrieben, das heute wieder vom Assad-Regime aus Damaskus kontrolliert wird. In Dschinderes wie im gesamten Nordwesten Syriens haben dagegen weiterhin Aufständische das Sagen.

„Vor dem Erdbeben habe ich mit meiner Familie in einem Haus gelebt und bin zur Schule gegangen, aber jetzt sind unser Haus und unsere Schule zerstört“, erzählt Dschamal. „Ich bin mit meiner Familie in ein Lager gezogen. Jetzt leben wir hier am Stadtrand von Dschinderes.“ Im Bus fühle er sich sicherer und habe keine Angst vor einem Erdbeben, weil nichts auf ihn fallen könne, sagt Dschamal. Der Unterricht in den Bussen, vor allem aber das gemeinsame Singen macht ihm Spaß.

Sobald die Busse ankommen, versammeln sich die Kinder aus dem jeweiligen Lager neben den Bussen und bilden einen Kreis für die Morgenaktivität. Oft machen die Leh­re­r*in­nen Musik oder tanzen mit den Kindern, bevor sie in die Busse steigen und mit dem Unterricht beginnen. In diejenigen Lager, die von Bussen nicht erreicht werden können – oft sind die Straßen zu uneben – fahren die Orange-Mitarbeitenden in mobilen Teams per Motorrad.

Viele Kinder haben Angehörige verloren

Almas Naasan, eine Klassenlehrerin, die für Orange arbeitet, erzählt: „Die Kinder lieben es, wenn die Busse kommen. Viele Schüler kommen jeden Morgen auf uns zu gerannt.“ Einige seien bereits vor dem Erdbeben nicht zur Schule gegangen. Andere seien erst durch das Erdbeben betroffen worden. Der Unterricht im Bus sei derzeit besser als der in den verbliebenen Schulen, weil die Busse besser ausgestattet seien und sich die Schü­le­r*in­nen aus Angst vor einem weiteren Beben sicherer fühlten als in der Schule.

Bislang hätten mehr als 3.000 Kinder von der Hilfe profitiert, erzählt Mohammed Shehab, Projektmanager bei Orange, der taz. Den Kindern würden nicht nur Schultaschen und anderes Schulmaterial zur Verfügung gestellt, auch gebe es Angebote zur psychosozialen Unterstützung. So stehen etwa Bälle und Spiele zur Verfügung, um den psychischen Zustand der Kinder zu verbessern und ihnen zu helfen, ihre Ängste abzubauen.

Denn bevor die Kinder überhaupt lernen können, sollen sie psychisch stabilisiert werden. Viele sind nicht nur Zeuge davon geworden, wie ihre Unterkünfte oder Schulen zerstört wurden, sondern haben auch selbst Angehörige verloren. Nun sollen sie langsam in ihren Alltag zurückfinden, indem sie nachholen, was sie in den vergangenen Monaten versäumt haben.

Aus dem Arabischen: Jannis Hagmann

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