Bildung im Internet: „Der schiere Chauvinismus“
Studenten aus Kuba, Sudan und Iran werden von Onlinevorlesungen auf Coursera ausgeschlossen. Schuld sind US-Exportrestriktionen.
BERLIN taz | „Nur wenige Dinge veranschaulichen die Sturheit, Kurzsichtigkeit, und den schieren Chauvinismus der politischen Strukturen der Vereinigten Staaten besser“, schreibt Professor Ebrahim Afsah am Dienstagabend seinen Studenten in einer E-Mail, nachdem auch seine Vorlesung für Teilnehmer aus Kuba, Iran und Sudan gesperrt wurde.
Er richtet sich hier nicht an die Studenten der Universität Kopenhagen, an der er lehrt, sondern an seine Online-Studenten. Er unterrichtet auch auf einer Internetplattform namens Coursera, auf der ausgewählte Vorlesungen von renommierten Universitäten weltweit frei zugänglich sind. Zumindest waren sie das bis vor kurzem.
Aufgrund von Sanktionen ist es dem US-Unternehmen seit Anfang der Woche untersagt, den IP-Adressen aus Iran, Sudan und Kuba Zugriff auf seine Dienste zu erlauben. Coursera bedauere das zutiefst, steht auf dem Blog der Plattform, aber sie könnten es nicht ändern.
Coursera verfolgt das Ideal der freien Bildung – Yale, Princeton oder Stanford, im Internet darf man dabei sein, auch wenn man sich einen realen Studienplatz nicht leisten könnte. Das Portal wurde 2012 gegründet und hat laut Betreiber über 6,3 Millionen Nutzer, denen 596 Kurse angeboten werden, darunter auch einige von deutschen Universitäten. Teilnehmen ist kostenlos, für ein Zeugnis ist meist eine Gebühr zu entrichten.
Anfänglich hieß es, dass auch syrische Studenten von der Sperre betroffen wären, aber hier konnte ein Schlupfloch gefunden werden. Die anderen Länder, darunter auch Professor Afsahs Heimatland Iran, sind weiter ausgeschlossen, sofern die Studenten nicht versuchen die Sperren mit geeigneten Programmen zu umgehen.
Das vermittelte Wissen werde mit einer Waffe gleichgesetzt, die nicht in fremde Hände fallen soll, schreibt Professor Ebrahim Afsah. „Als jemand der viel Zeit in den Vereinigten Staaten verbracht hat, macht mir der Pfad, den das Land hier einschlägt Sorgen. Bildung (und Medizin) für Menschen, deren Regierung man nicht mag zu blockieren, ist ein Rückfall in die dunkelsten Stunden des letzten Jahrhunderts.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation