"Bild" gegen Regierung: Zahlenstreit um illegale Einwanderer
Medienberichten zufolge ist die Zahl illegaler Einwanderer rapide angestiegen, seit die Grenzen nach Polen und Tschechien geöffnet wurden. Die Regierung widerspricht.
Berlin taz Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien vor drei Wochen hat es nach Angaben des Bundesinnenministeriums nur einen leichten Anstieg der illegalen Einreise gegeben. Bei Kontrollen seien 425 illegale Einwanderer an der östlichen Grenze gefasst worden. Diese Zahl sei weder überraschend noch beunruhigend hoch, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der taz.
Zuvor hatte die Bild-Zeitung unter Berufung auf interne Zahlen der Bundespolizei gemeldet, es seien 614 Fälle zwischen dem 21. Dezember und 7. Januar gezählt worden. Die Zeitung hatte weiter berichtet, im ersten Halbjahr 2007 seien nur 484 Illegale aufgegriffen worden. Auch diese Zahl zweifelte der Sprecher an, ohne jedoch eine andere zu nennen.
Die Zahlen wurden anscheinend gezielt vor einer politischen Debatte um den Umbau der Bundespolizei an die Presse gegeben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fürchtet einen Stellenabbau in der Grenzregion. Ende November demonstrierten Gewerkschaftler in Frankfurt (Oder) und warnten vor "Terrorismus und Kriminalität".
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte, es gebe seit dem Wegfall der Grenzkontrollen keine Sicherheitseinbußen. "Die Unkenrufe haben sich nicht bewahrheitet." Auch in Mecklenburg-Vorpommern könne man keinen Anstieg der Kriminalität feststellen, sagte ein Sprecher des dortigen Innenministeriums.
Die GdP sieht dennoch ihre Befürchtungen bestätigt. "Da nur jedes 2000. Fahrzeug kontrolliet wird, ist die Dunkelziffer noch viel höher", sagte Jörg Radek, Sprecher des Bezirks Bundespolizei. Man beobachte einen deutlichen Anstieg illegaler Einwanderung, die Grenze sei zu früh geöffnet worden.
Am Montag berät der Innenausschusses des Bundestags über die geplante Reform der Bundespolizei. Allein in Brandenburg sollen nach Angaben der Gewerkschaft 800 von 2000 Stellen in der Grenzregion wegfallen. Insgesamt gehe es um rund 2500 Stellen, die von der Grenze abgezogen werden sollen. Vielfach würden sie in den Westen Deutschlands verlagert.
Aus dem Innenministerium hieß es dazu, dass mit der Schließung von stationären Grenzkontrollen weniger Personal benötigt werde. Gleichzeitig nehme jedoch die Kontrolldichte im Hinterland zu. "Die Grenzregion ist nach wie vor ein sicherheitsrelevanter Raum, da hat sich in der Substanz nichts geändert", sagte Dieter Wiefelspütz, für die SPD im Innenausschuss.
Seit der Grenzöffnung kurz vor Weihnachten führt die Polizei in einem 30 Kilometer breiten Streifen verstärkt "mobile Kontrollen" durch. Dafür werden nach Angaben des Innenministeriums weniger Bundespolizisten vor Ort benötigt, eine Entwicklung, die schon seit langer Zeit absehbar gewesen sei.
Mit Ausnahme von Bulgarien, Rumänien und Zypern sind die Länder der EU-Osterweiterung dem Schengener Abkommen beigetreten und verzichten seit dem 21. Dezember auf Passkontrollen.
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