Bilanz von Schwarz-Rot in Berlin: Mieses Klima vorm Roten Rathaus
VertreterInnen klima- und sozialpolitischer Initiativen ziehen nach einem halben Jahr Schwarz-Rot eine erste Bilanz: Die fällt vernichtend aus.
Die Bilanz der amtierenden Landesregierung nach einem halben Jahr im Amt fiel aber nicht nur in Bezug auf Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) vernichtend aus: Die „Rückschrittskoalition“ blockiere alle richtungsweisenden Ideen der Zivilgesellschaft zum Schutz des Klimas, sagten VertreterInnen von Fridays for Future Berlin, Deutsche Wohnen & Co Enteignen, Changing Cities, Klimaneustart Berlin und dem Volksentscheid Berlin autofrei.
„Bis zur Unkenntlichkeit zerschreinert“ wird laut Florian Keiper von Changing Cities der im Mobilitätsgesetz von 2018 festgeschriebene Vorrang des Umweltverbunds aus öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Rad- und Fußverkehr zugunsten einer erneut autofreundlichen Politik: „Das Stehzeug wird in der Hauptstadt wieder bevorzugt“, klimafreundliche Verkehrsformen müssten sich wieder den Bedürfnissen des Pkw unterordnen, so Keiper. Das Mobilitätsgesetz, „ein sorgfältig ausgehandelter Kompromiss“, stehe auf der Kippe. Es hänge nun „alles von der SPD ab“, wie es weitergehe.
Stefan Zimmer von der Initiative Klimaneustart Berlin, deren Volksentscheid für Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 im März am erforderlichen Quorum gescheitert war, stimmte hier mit ein: In Sachen Verkehr setze die CDU-SPD-Koalition neben dem Auto auf den Bau neuer U-Bahnen, was nicht nur beim Bau gewaltige Mengen an CO2 freisetze, sondern von Planungsbeginn bis Eröffnung „gerne mal 25 bis 30 Jahre“ dauere: „Diese Zeit haben wir nicht.“ Gleichzeitig würden wichtige Tramprojekte – die wesentlich schneller und kostengünstiger umsetzbar sind – wie die Verlängerung der M10 zum Hermannplatz oder die M4 zum Potsdamer Platz infrage gestellt und verschleppt.
Wo soll der Wasserstoff herkommen?
Auch in anderen Bereichen stellten die Initiativen Schwarz-Rot ein schlechtes Zeugnis in Sachen Klimaschutz aus: Beim Thema Wärmeversorgung gebe der Senat keine Antworten auf die drängenden Fragen, so Zimmer. Den geplanten Rückkauf der Fernwärme vom Vattenfall-Konzern lobte er zwar als einen guten ersten Schritt.
Die Strategie, die Stadt in Zukunft hauptsächlich mit Biomasse und Wasserstoff zu beheizen, sei jedoch ein Grund zur Sorge. „Weder Vattenfall noch der Senat können sagen, woher die in diese Mengen kommen sollen.“ Die Empfehlungen des Bürger:innenrats, der als Ergebnis einer Volksinitiative von Klimaneustart Berlin im Sommer 2022 tagte, sollten offenbar stillschweigend ignoriert werden, kritisierte Zimmer.
Benni Wasmer vom Volksentscheid Berlin autofrei gab sich optimistisch, dass der Gesetzentwurf seiner Initiative, den Rot-Grün-Rot zur Prüfung ans Berliner Verfassungsgericht überwiesen hatte, von den RichterInnen in absehbarer Zeit freigegeben wird. Dann lasse sich endlich mit der „großen Lüge“ aufräumen, „dass wir irgendwie alles gleichzeitig haben können“, Autos also keinen Platz für klimafreundliche Verkehrsformen machen müssten. Wasmer kritisierte scharf, dass es „ein gutes Hörgerät“ brauche, um gegen diese „Auto-Ideologie“ Widerspruch aus der SPD wahrzunehmen: „Die entfernt sich traurigerweise immer weiter von der Lebensrealität der Menschen in dieser Stadt.“
Die Untätigkeit des Senats bei der Umsetzung des letzten erfolgreichen Volksentscheids prangerte Veza Clute-Simon von Deutsche Wohnen & Co Enteignen an. Mietenpolitisch habe Schwarz-Rot keinen Plan zur Entlastung von MieterInnen. Dabei sei die Situation heute nicht mehr dieselbe wie bei der Abstimmung vor zwei Jahren, sondern „viel, viel schlimmer“.
Luisa Neubauer von Fridays for Future mokierte sich dann noch über Vorschläge wie den von Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die Sanierung maroder Polizeiwachen aus dem fünf Milliarden schweren Klimasondervermögen zu finanzieren. Die sogenannte Senatskommission Klimaschutz – die im Prinzip nichts anderes ist als der reguläre Senat, der vierteljährlich unter diesem Label tagt – bringe es „offensichtlich“ nicht.
Neubauer forderte daher die Einsetzung einer Task Force aus ExpertInnen und VertreterInnen der Stadtgesellschaft zur Umsetzung des Klimasondervermögens. Für die anwesenden Initiativen gehe die Arbeit weiter: „Wir stehen hier mit der Botschaft, Berlin nicht Großinvestoren und der Klimakrise zum Fraß vorzuwerfen“, sagte die FFF-Sprecherin.
Nicht mit der Letzten Generation
Auch in einer anderen Frage zeigten sich die Anwesenden einig: Unisono erklärten sie, dass sich ihre Organisationen nicht an der von der Letzten Generation für Samstag angekündigten Massenblockade der Straße des 17. Juni beteiligen würden. „Einzelne von uns werden dabei sein, aber wir als Gruppe setzen auf direkte Demokratie als Aktionsform, nicht auf zivilen Ungehorsam“, sagte Stefan Zimmer von Klimaneustart Berlin. Die übrigen Anwesenden äußerten sich ähnlich.
Die Letzte Generation hat für Samstagmittag dazu aufgerufen, die Ost-West-Verbindung durch den Tiergarten mit möglichst vielen Menschen zu blockieren – als neue Protestform neben den unangekündigten Klebeaktionen auf den Straßen. Nach eigenen Angaben wird die Initiative dabei von Extinction Rebellion unterstützt. Man habe aber „auch andere Klimagerechtigkeitsbewegungen herzlich eingeladen“, sagte eine Sprecherin der taz – offenbar bisher mit wenig Erfolg.
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