„Big Eyes“ von Tim Burton: Untertassen gucken dich an
„Big Eyes“ von Tim Burton erkundet Leben und Werk der Künstlerin Margaret Keane. Ihre Bilder wurden von ihrem Mann als eigene Arbeiten ausgegeben.
Es gibt einen Witz über Margaret Keane in Woody Allens Science-Fiction-Satire „Der Schläfer“ von 1973. Beim Anblick eines Mädchenporträts mit den für Keane so typischen untertassengroßen Augen ruft Diane Keaton vor einer elitären Abendgesellschaft verzückt aus: „Es ist so Keane … nein, es ist besser.“ Der Name, den sie dann nennt, ist allerdings kein großer Meister, sondern ein Big-Band-Leader, der in den USA als „Rumba-König“ bekannt war.
Allens snobistischer Kunstwitz über eine High Society, die sich mit Kitsch und ordinärem Exotismus umgibt, war auch ein Seitenhieb auf den bis dahin größten amerikanischen Kunstskandal, der drei Jahre zuvor aufgedeckt worden war.
Margaret Keane, die geschiedene Ehefrau des Malers und Gesellschaftsimpresarios Walter Keane, hatte in einem Interview erklärt, dass sie die Urheberin der großäugigen Kinderbilder sei, die zusammen mit Warhols Suppendosen in den 1960er Jahren den Boom warenförmiger Gebrauchskunst ausgelöst hatten. Von Warhol stammt auch das Bonmot, dass Keanes Arbeiten gut sein müssen – da sie sonst nicht so viele Menschen mögen würden. Tim Burton hat das Zitat an den Anfang seines neuen Films „Big Eyes“ gestellt.
Malwettbewerb vor Gericht
Was Burton an der kuriosen Geschichte um das Ehepaar Keane interessiert, ist aber auch nach dem Abspann nicht ganz klar. Sein Film schlägt mehrere Routen ein, die alle verfolgenswert erscheinen, letztlich entscheidet er sich aber für die uninteressanteste. „Big Eyes“ ist ein Künstler-Biopic, das den bizarren Kunststreit, der mit einem Malwettbewerb vor Gericht entschieden werden musste, zu sehr auf die leichte Schulter nimmt. Burton findet kein dramaturgisches Gegengewicht, um das Schicksal von Margaret Keane, gespielt von der unnachahmlichen Amy Adams, ernsthaft zu erzählen.
„Big Eyes“. Regie: Tim Burton. Mit Amy Adams, Christoph Waltz. USA 2014, 106 Min.
Stattdessen überlässt er Christoph Waltz die Bühne, der Walter Keane als manische Knallcharge spielt – wodurch der Film, der durch seinen artifiziellen Look ohnehin eine leicht unwirkliche Note bekommt, vollends zur Farce gerät. Dabei wird in „Big Eyes“ deutlich, dass der 2001 verstorbene Keane ein Psychopath war, der seine Frau jahrelang in eine Kammer sperrte, wo sie im Akkord Bilder malen musste, die er vor seinen Promi-Freunden (Joan Crawford und Dean Martin gehörten zu seinen Käufern) als eigene Arbeiten ausgab.
„Big Eyes“ beginnt vielversprechend, wenn auch nicht sonderlich originell. Die für Burton so charakteristische Mischung aus süßlichen Oberflächen mit dunklen Ausläufern kommt etwas zu kurz, sieht man einmal davon ab, dass eine Epoche, in der ein Arbeitgeber eine potenzielle Angestellte fragt, ob der Ehemann erlaube, dass seine Ehefrau eine Stelle antritt, nicht ohnehin schon Unbehagen bereitet. Ende der 1950er Jahre flieht Margaret mit ihrer Tochter Hals über Kopf aus einer gewöhnlichen Vorstadtehe nach New York. Das war damals noch undenkbar, Burton hätte also schon hier einen wesentlich ergiebigeren Ansatz für seinen Film finden können.
„Frauenkunst“ galt als unverkäuflich
Man mag über die Kunst Keanes denken, was man will (Burton hat zweifellos seine eigene Meinung, wenn auf einer Benefizparty ein Kritiker der New York Times Keanes Bilder als „Unendlichkeit von Kitsch“ verhöhnt), aber der Skandal wurde seinerzeit ja erst interessant, weil da eine Künstlerin plötzlich ihr Werk für sich einklagte. Keane konnte seine Frau auch deswegen über viele Jahre kleinhalten, weil „Frauenkunst“ als unverkäuflich galt. Ein Ressentiment, dass der damalige Kunstmarkt ganz offensichtlich beförderte.
Bei Burton reicht es gerade mal zu dem (in der fassungslosen Diktion von Jason Schwartzman zugegebenermaßen guten) Witz, welcher Künstler für diese Kunst überhaupt Urheberschaft beanspruche. Ernsthafte Empathie für Margaret bringt „Big Eyes“ – trotz Amy Adams – nicht auf.
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