Big Data im Supermarkt: Discounter als Datensammler
Lidl führt eine neue App ein. Sie soll individualisierte Preise ermöglichen. „Bis auf Weiteres“ will das Unternehmen darauf aber verzichten.
Als weiteren Schritt zum „gläsernen Kunden“ beschreibt Brink die Kombination aus Informationsmenge, exakter Lokalisierung der Konsumenten im Geschäft, persönlichen Angeboten und individualisierten Preisen. Eine solche App verwende Lidl als „erster der großen stationären Anbieter“.
Testweise wird die Smartphone-App am Donnerstag zunächst für die Lidl-Filialen in Berlin und Brandenburg freigeschaltet. Im Jahr 2020 soll sie dann bundesweit verfügbar sein. Die Scanner in den Filialen gibt es schon. Andere Einzelhandelsunternehmen wie Edeka, Rewe oder Ikea bieten vergleichbare Kundenkarten oder Smartphone-Anwendungen an, die nach Brinks Einschätzung aber noch nicht so weit entwickelt sind. Onlineverkäufern wie Amazon fällt die Datensammlung und ihre Verwendung leichter als den stationären Händlern. Beim Erwerb im Internet schwanken die Preise mitunter in Abhängigkeit von der Tageszeit oder der Nachfrage.
Die neue digitale Lidl-Kundenkarte verknüpft den individuellen Einkauf mit Rabatten und Werbung. „Jede Woche gibt es für die Lidl-Plus-Nutzer neue digitale Rabattcoupons für ausgesuchte Produkte direkt auf das Smartphone“, erklärt das Unternehmen. „Der Rabatt wird beim Scan der digitalen Kundenkarte an der Kasse automatisch abgezogen.“ Dabei stellt der QR-Code auf dem Smartphone die Verbindung zum gerade getätigten Einkauf her.
Einkäufe werden für Lidl durchschaubar
Die Kund*innen können künftig auf ihren Taschencomputern jederzeit nachschauen, was sie wann und wo bei Lidl zu welchem Preis erworben haben. Vorteil für das Unternehmen: Die Einkäufe im stationären Geschäft werden im Gegensatz zu heute durchschaubar. Die Firma erfährt die Vorlieben und Bedürfnisse der Konsument*innen. Auf dieser Basis sind personengenaue Rabatte und auch spezielle Preisgestaltungen möglich. Dazu erklärt Lidl: „Alle Kunden, die Lidl Plus nutzen, erhalten dieselben Coupons und Vergünstigungen. Bis auf Weiteres planen wir keine individualisierten Angebote auf der Basis von Kundendaten.“
Kirsti Dautzenberg von der Verbraucherzentrale Brandenburg hält individualisierte Preise, die auf bestimmte Menschen und ihr Einkaufsverhalten abgestimmt sind, für grundsätzlich „problematisch“. Bisher seien sie im Handel „noch nicht wirklich angekommen“. Studien zufolge würden Verbraucher sie als „ungerecht“ empfinden.
Datenschützer Brink sagt, man führe „regelmäßige Gespräche“ mit Lidl. Die neue App, vor allem die Einwilligungserklärung, werde man „sich genau anschauen“. Laut Datenschutzgrundverordnung dürfen Unternehmen die Informationen von Kunden nur verwenden und verarbeiten, wenn diese ausdrücklich zustimmen. Potenziell schwierig findet Brink, dass möglicherweise besonders geschützte Daten in die Computer des Einzelhändlers geraten könnten. Denn das individuelle Einkaufsverhalten der Verbraucher*innen lasse Rückschlüsse beispielsweise auf Allergien zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr