Big Brother Awards verliehen: Negativpreis für Klarna

Wer online einkauft, muss online zahlen – mitunter über einen Dienstleister. Dabei geht nicht immer alles transparent und verbraucherfreundlich zu.

Ein Smartphone auf dem die Klarna App zu sehen ist liegt auf einem Tisch

Shop now, pay later: Was schön klingt, kann schnell zu Problemen führen Foto: Rüdiger Wölk/imago

BERLIN taz | Der Zahlungsdienstleister Klarna bekommt am Freitagabend den Negativpreis für Überwachung, den Big Brother Award. Die Auszeichnung in der Kategorie Verbraucherschutz gehe an Klarna, weil das Unternehmen „intransparent Daten und Macht als Shopping-Service, Zahlungsdienstleister, Preisvergleichsportal, persönlicher Finanzmanager, Bonitätskontrolleur und Bank“ bündle, heißt es in der Begründung.

„Wir wollen darauf hinweisen, dass das, was so smooth rüberkommt, eben gar nicht smooth ist, sondern gefährlich“, sagte der Datenschutz-Experte padeluun vom Verein Digitalcourage bei der Vorstellung der Preisträger. Klarna selbst wies die Vorwürfe zurück.

Wer online einkauft, hat meistens die Wahl zwischen verschiedenen Zahlungswegen: Neben Vorkasse, Rechnung, Lastschrift und Zahlung per Nachnahme oder Kreditkarte gibt es auch Dienstleister, die die Transaktion abwickeln. Am bekanntesten sind die US-Riesen Paypal und Amazon Pay. Das 2005 gegründete Unternehmen Klarna positioniert sich als europäischer Konkurrent. Klarna bietet unterschiedliche Zahlungswege an, darunter Zahlung per Rechnung, Lastschrift und Ratenzahlung.

Zu dem Unternehmen gehört seit 2014 auch der Dienst Sofortüberweisung. Kun­d:in­nen nutzen die Dienstleister unter anderem aus Bequemlichkeitsgründen. Außerdem bieten sie häufig einen Käuferschutz.

Doch gerade bei Klarna sehen Daten- und Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen eine ganze Reihe an Problemen. Ein unvollständiger Auszug der Liste: Kun­d:in­nen können bei der Zahlung in einem Online-Shop nicht immer erkennen, dass ihre Daten bei Klarna landen. Das Unternehmen räumt sich teils das Recht ein, die Umsätze der vergangenen 30 Tage auf dem Girokonto einzusehen. Ver­brau­che­r:in­nen beschweren sich darüber, dass Klarna flott zur Hand ist mit Inkassoforderungen, die für die Betroffenen schnell teuer werden.

Klarnas Unternehmenssitz ist Schweden. Durch eine Niederlassung in Berlin landen aber auch bei der dortigen Aufsichtsbehörde zahlreiche Beschwerden von Kun­d:in­nen – derzeit seien es mehr als 170. „Im Verhältnis zu anderen Unternehmen ist das eine hohe Anzahl“, so Sprecher Simon Rebiger zur taz.

Die Beschwerden bezögen sich unter anderem darauf, dass Auskunfts- und Löschungsersuchen nicht, nur unzureichend oder erheblich verspätet beantwortet würden, zudem auf Identitätsdiebstähle sowie die Autofill-Funktion. Hat ein:e Kun­d:in diese nicht deaktiviert, wird im Zahlungsprozess ein Teil der Eingabefelder wie Adresse, Geburtsdatum oder Zahlungsdaten automatisch auf Basis von früher angegebenen und gespeicherten Daten ausgefüllt.

In der Vergangenheit gelang es hier bereits Dritten, unbefugt Daten von Klarna-Kund:innen einzusehen. Klarna teilte dazu auf Anfrage mit: „Wir bedauern den konkreten Vorfall sehr und haben alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.“

Auch in Schweden zahlreiche Beschwerden

Federführend ist die schwedische Datenschutzaufsicht. Laut Sprecher Per Lovgren sind seit 2018 dort 372 Beschwerden gegen Klarna eingegangen. In einem Fall wurde ein Bußgeld von umgerechnet gut 700.000 Euro verhängt. Allerdings seien auch über 100 Verfahren noch nicht abgeschlossen. Ein Teil der Beschwerden betreffe auch die Autofill-Funktion. Ob sie diese grundsätzlich für rechtskonform hält, habe die Behörde aber bislang nicht entschieden.

Klarna selbst betont gegenüber der taz, „dass unsere Produkte und Dienstleistungen niemals auf Kosten der Privatsphäre unserer Nut­ze­r*in­nen gehen dürfen“. Man mache jederzeit deutlich, welche Daten gesammelt und wie sie verwendet würden, und nehme „den Schutz von persönlichen Daten sehr ernst“.

Klarna ist nicht das einzige Problemunternehmen unter den Zahlungsdienstleistern. „Natürlich hätten auch andere Fintechs den Award sicherlich verdient“, sagt padelunn von Digitalcourage zur taz. Doch bei den Big Brother Awards werde die Öffentlichkeit nach Vorschlägen gefragt und „in der Art und Weise, wie sehr Klarna sich zur intransparenten Allmacht zwischen die Beziehungen von Händlerin und Kunde drängelt, sehen wir den Preis bei an Klarna ‚in guten Händen‘“.

Das Schuldenproblem

Die Verbraucherzentralen verzeichneten für das Jahr 2020 – das erste Pandemiejahr – einen Anstieg der Beschwerden über Online-Bezahldienste und mobile Payments um 98 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Paypal und Klarna wurden demnach bei 67 Prozent der Beschwerden in dem Bereich genannt. Dabei ging es vor allem um Rechnungsstellung und Inkasso (46 Prozent) und unlautere Geschäftspraktiken (20 Prozent).

Mittlerweile ist auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf die Dienstleister aufmerksam geworden – und das könnte auch an der Videoplattform Tiktok liegen. Unter Hashtags wie #klarna oder #klarnaschulden posten Nut­ze­r:in­nen in ihren Tiktok-Videos Screenshots von ihren Klarna-Konten – auf denen sich schon mal vierstellige Schuldensummen angehäuft haben.

Das Problem: Die Option „buy now pay later“, bei der Kun­d:in­nen entweder in Raten zahlen oder die Rechnung bis zu 30 Tage nach dem Versand der Ware begleichen können. „Diese Buy-now-pay-later-Angebote sind bequem. Wenige Klicks reichen, und die Zahlung ist auf später verschoben“, warnt die Bafin. Da falle es mitunter schwer, den Überblick zu behalten. Die Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen von Finanztip raten ganz davon ab, die Ratenzahlungsfunktion zu nutzen – die dafür fälligen Zinsen und das Risiko sich zu verschulden seien zu hoch.

Für Ver­brau­che­r:in­nen empfiehlt es sich also, auf andere Zahlungswege zu setzen. Alternativen gibt es viele – doch nicht immer werden alle Zahlungsarten angeboten und nicht alle sind empfehlenswert. Wer etwa auf Paypal oder Amazon Pay setzt, gibt umfangreiche persönliche und Zahlungsdaten an ein US-Unternehmen. Aus Verbrauchersicht ist der Kauf auf Rechnung meist der beste – der setzt aber häufig voraus, dass der Online-Händler eine Schufa-Abfrage vornimmt, um sich abzusichern. Darüber werden die Kun­d:in­nen nicht immer informiert.

Auch das Lastschrift-Verfahren ist für Kun­d:in­nen günstig – gibt es hier Ärger, weil der Händler etwa Geld abbucht, aber keine Ware schickt, lässt sich die Zahlung zurückbuchen. Deshalb bieten viele Händler diesen Weg gar nicht an. Vorkasse ist für die Kun­d:in­nen das größte Risiko – im schlechtesten Fall ist das Geld einfach weg. Ein Mittelweg sind in der Regel Zahlungen per Kreditkarte. Ein Verbund deutscher Banken und Sparkassen bietet einen eigenen Zahlungsdienst an: Giropay. Die Datenschutz-Standards sind hier höher als bei Klarna oder Paypal – dafür ist das Verfahren deutlich weniger verbreitet.

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