Bidens letzte Rede als US-Präsident: Oligarchie, das seid auch ihr
Der scheidende US-Präsident Biden hat eine Rede gegen die Superreichen der Tech-Industrie gehalten. Doch seine Demokraten haben zu deren Allmacht beigetragen.
R ussland hat Oligarchen, die USA haben reiche Milliardäre. So oder so ähnlich lautete bislang die allgemein akzeptierte Sprachregelung. In seiner Abschlussrede als Präsident warnte Joe Biden nun aber vor einer Oligarchie des „extremen Vermögens, von Macht und Einfluss“, die sich in den USA abzeichne und die amerikanische Demokratie bedrohe. Biden bezog sich auf die berühmte Rede von Dwight Eisenhower, der 1961 vor einem „militärisch-industriellen Komplex“ warnte. In Anlehnung daran sprach Biden von einem „tech-industriellen Komplex“. Ein kaum verhohlener Stich gegen Musk, Zuckerberg und Konsorten und ihre Verbindungen zu Trump.
Keine Frage, die kommenden Trump-Jahre dürften vier Jahre der offenen und schamlosen Korruption werden. Elon Musk als Oligarchen zu bezeichnen ist keine Polemik – es stimmt. Wer aber denkt, dass die amerikanische Oligarchie nur eine Angelegenheit der Republikaner ist, irrt. Hätte Biden sich ehrlich gemacht, dann hätte er anerkannt, wie sehr der Einfluss der Reichen auf die Mächtigen das amerikanische System bereits prägt. Und welche Mitschuld die Demokraten daran tragen.
Schon 2014 analysierten die Wissenschaftler Martin Gilens und Benjamin Page politische Entscheidungen in den USA. Sie fanden heraus, dass „ökonomische Eliten und organisierte Gruppen, die Unternehmensinteressen repräsentieren“, einen erheblichen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, während Bürgerinteressen mit breiter Basis nur selten Berücksichtigung finden. 2010 entschied der Oberste Gerichtshof, dass politische Geldzahlungen an Parteien vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind.
Oligarchie ist kein Problem Einzelner, sondern ein Herrschaftssystem. Oligarchie ist, wenn man das Spiel der obszönen Kampagnenfinanzierung durch große Lobbygruppen (Super-PACs) mitspielt. Oligarchie ist, wenn man erst gegen Trumps Steuersenkungen für Reiche wettert, sich dann aber in den vergangenen vier Jahren nicht anschickt, sie rückgängig zu machen. Oligarchie, liebe Demokraten, das seid auch ihr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ökonom zu Habecks Sozialabgaben-Vorstoß
„Die Idee scheint mir ziemlich unausgegoren“
Durchbruch bei Waffenruhe in Nahost
Ein erster Schimmer Frieden
Anschlag auf Weihnachtsmarkt
Magdeburg-Täter suchte Kontakt zur AfD-Jugend
Robert Habeck im Untersuchungsausschuss
Atomausstieg ohne Denkverbote
Habeck stellt neues Buch vor
Sich „tastend bewegen“
Konjunktur in Deutschland
Es wurde wieder nicht in die Hände gespuckt