Biathlon-Vizeweltmeister Stephan: "Jetzt bin ich aber wichtig"
Biathlet Christoph Stephan wird überraschend Vizeweltmeister. Der Polizeimeister des Bundesgrenzschutzes will so wenig Trubel wie möglich um sich herum haben.
PYEONGCHANG taz Von all den Dingen, die einem das Leben angenehm machen können, schätzt Christoph Stephan eine Sache ganz besonders: seine Ruhe. Privat ist das so, da stülpt sich der Polizeimeister des Bundesgrenzschutzes am liebsten einen dicken Kopfhörer über die Ohren und entschwindet in die Welt der Musik. Und auch als Sportler bemüht sich der 23-Jährige, so wenig Trubel wie möglich um sich herum zu haben. Am Biathlonstand ist das zwar nicht ganz so einfach wie beim Musikhören zu Hause auf dem Bett, aber an eines müssen sich die Betreuer halten: keine Hinweise zu irgendwelchen Zwischenständen zu geben. Und zwar bis nach dem letzten Schießen.
Gut trifft es sich da, dass die Weltmeisterschaft in Pyeongchang gerade mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Beim Einzel der Männer über 20 Kilometer am Mittwoch war die Kulisse - eigentlich kaum vorstellbar - noch dürftiger als bei den ersten vier Rennen am Wochenende. Der Vorteil: Stephan konnte sich bei den üblich windigen Bedingungen noch besser konzentrieren und erlaubte sich bei 20 Schussversuchen nur einen einzigen Fehler. Das reichte dem gebürtigen Thüringer in der Endabrechnung zum zweiten Platz hinter Sieger Ole Einar Björndalen, der im dritten WM-Rennen zum dritten WM-Titel, seinem 13. insgesamt, kam. Für Stephan war dieses Silber in Südkorea erst der zweite große Erfolg seiner Karriere nach seinem ersten Weltcupsieg vom 25. Januar in Antholz .
Und da hing er nun in seinem Stuhl, das kleine Päckchen mit der Silbermedaille in der linken Hand, schaute kurz in die Runde und staunte: "Jetzt bin ich aber wichtig." Der Tonfall verriet: Viel Spaß macht ihm das nicht, was Stephan wenig später auch bestätigte. "Ich mag es allgemein nicht so, im Mittelpunkt zu stehen", erklärte der erste männliche Medaillengewinner des DSV bei dieser WM. Sogar "ein bisschen unangenehm" sei ihm der Wirbel um seine Person, und überhaupt: "Das alles ist mir etwas zu kommerziell."
Das fade Flair von Pyeongchang kann er damit nicht gemeint haben. Trotzdem gelang es Stephan, mit seinen skurrilen Antworten das drohende Bild vom Langweiler, der gerade zufällig zu einer Medaille gekommen war, zu übermalen. "Ich bin", betonte der Biathlet vom WSV Oberhof, "ein Gesamtkunstwerk." Und die Eckpfeiler seines Oeuvre sind: "Ich, meine Playstation 3, meine Musik."
Nicht mehr dabei im Kunstwerk: "Ein paar Pfunde zu viel", die Stephan früher herumschleppte. "Ich habe eher Dinge gemacht, die mit Sport nicht viel zu tun hatten", erzählt er. Dann wurde abgespeckt, und seit dem ersten Weltcupsieg hat er "Blut geleckt". In der Mixed-Staffel am Donnerstag kann er seine frisch entdeckte Leidenschaft allerdings nicht ausleben - bei den Männern wird der DSV von Arnd Peiffer und Michael Greis vertreten. "Schade", kommentierte Stephan seine Nichtberücksichtigung: "Das wäre eine sichere Medaille gewesen."
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