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Bezahlung von GeflüchtetenSie sind Gold wert

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen ist Arbeitgebern lästig, ebenso der Mindestlohn. Nun werden Geflüchtete instrumentalisiert.

Ghebru Aregay macht eine Ausbildung als Bäcker. Verdi kämpft gegen Ausnahmen beim Mindestlohn. Foto: dpa

G äbe es nicht so viele Flüchtlinge, dann müssten sie erfunden werden. Den Arbeitgeberverbänden und ihren Hilfstruppen in der Wissenschaft, der Politik und den Medien scheinen sie jedenfalls Gold wert zu sein. Nicht, dass diese sich wirklich für das Schicksal der Geflüchteten interessieren würden. Es geht um ihren ganz praktischen Nutzwert: sie sind höchst willkommene ideologische Waffen der neoliberalen Propaganda.

Aktuelles Beispiel ist die Auseinandersetzung um Leiharbeit und Werkverträge. „Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern“, lautet das Versprechen im Koalitionsvertrag. Entsprechend hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, das eine Regulierung vorsieht – wenn auch nur eine moderate, wie die Gewerkschaften zu Recht kritisieren. Den Arbeitgebern geht das allerdings schon viel zu weit. Sie wollen sich nicht gesetzlich einschränken lassen. Das war auch schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise so. Doch nun versuchen sie, ihren Widerstand als humanitären Akt zu verkaufen.

Bei Heike Göbel, dem publizistischen Sturmgeschütz unbeschränkter wirtschaftlicher Freiheit, liest sich das in der FAZ so: Das geplante Regelwerk schränke „die Flexibilität ein und errichtet fahrlässig Hürden, die der Integration der Flüchtlinge schaden werden“. Und CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn findet, der Koalitionsvertrag sei „unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden“. Angesichts des „massiven Flüchtlingszuzugs“ passe es „ganz und gar nicht, dass die SPD immer neue Regulierungen bei Leiharbeit und Werkverträgen vorschlägt“. Noch hat Nahles nur einen Referentenentwurf vorgelegt. Mal sehen, was am Ende davon übrig bleiben wird.

Die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen ist das dritte größere Reformprojekt von Nahles – nach Mindestlohn und Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte. Beides steht ebenfalls im Visier der Flüchtlingsinstrumentalisierer. So wollen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, dass Geflüchtete ebenso behandelt werden wie Langzeitarbeitslose, die ein halbes Jahr lang unter dem Mindestlohn bezahlt werden dürfen – wobei die Halbjahresfrist gleich auf zwölf Monate erhöht werden könnte.

Abschaffung des Mindestlohns

Noch weiter geht Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner ifo Instituts. „Wir sollten den Flüchtlingsstrom zum Anlass für eine neue Agenda 2010 nehmen“, fordert er. Für ihn heißt das, den Mindestlohn einfach wieder abzuschaffen. Und er ist dafür, das Rentenalter heraufzusetzen, „um die Flüchtlinge zu ernähren“.

Nun könnte Sinn entgegengehalten werden, dass es wenig integrationsfördernd ist, Menschen länger und zu Hungerlöhnen arbeiten zu lassen. Aber das dürfte ihn wenig beeindrucken. Schließlich war er schon immer für ein späteres Renteneintrittsalter und gegen den Mindestlohn. Es ist auch nicht das erste Mal, dass er Ausländer als Argumentationshilfe instrumentalisiert. Allerdings dienten ihm dazu früher die Arbeitsmigranten aus Polen. „Die Regierung will deutsche Arbeitnehmer vor ‚Lohndumping‘ schützen, doch sie schadet damit dem Land und treibt es weiter auf dem Irrweg einer seit Jahrzehnten überzogenen Lohnpolitik voran“, wetterte Sinn 2005.

Denn den polnischen Arbeitskräften würde durch einen Mindestlohn ermöglicht, „sich zum Schaden ihrer deutschen Arbeitgeber und Kunden in Deutschland besser zu verkaufen, als es andernfalls möglich gewesen wäre“. Allen Ernstes behauptete er damals: „Wer die Ausländer zwingt, zu Tariflöhnen in Deutschland zu arbeiten, vertreibt die deutschen Firmen noch schneller ins Ausland“.

Das klingt heute nach ziemlich grobem Unfug. Nichts dergleichen ist seit der Einführung des Mindestlohns passiert. So müssen nun also die Geflüchteten zur Verpackung des alten neoliberalen Unsinns herhalten. Ein mieses Geschäft.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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4 Kommentare

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  • Der Mindestlohn ist ein Aspekt der Menschenwürde und die sollte bekanntlich unantastbar sein...

  • Wenn ich einen Vollzeitjob zum Mindestlohn hätte, würde ich 1.080,- € netto monatlich erhalten. Worüber reden wir hier eigentlich? Darüber würde ich mich gerne mit Herrn Sinn unterhalten; allerdings erst nachdem er 1 Jahr lang selber für diese Kohle gearbeitet hat.

    • 1G
      19412 (Profil gelöscht)
      @Christian_72:

      ... und davon soll Herr Sinn dann bitte auch noch private Altersvorsorge und notwendige Neuanschaffungen im Haushalt finanzieren :-)

       

      Wer den Mindestlohn abschaffen will, agiert gegen die ohnehin vorhandenenen Geringverdiener und muss sich den Vorwurf moderner Sklaverei gefallen lassen.

       

      Die Retourkutsche kommt dann, wenn diese Menschen in Rente gehen ...

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Der ökonomische Pragmatismus begründet zu 100% die Willkommenskultur bei den Wirtschaftsverbänden, zu 90% bei der BILD und zu 80% bei Merkel.

     

    Mittlerweile scheint bei allen Parteien (verirrte Kommunisten von der Linke ausgenommen) selbstverständlich zu sein, dass die Integrationskosten keine steuerlichen Belastungen der Unternehmen und oberen Einkommensgruppen zur Folge haben sollen. Gesamtwirtschaftlich sollen die Belastungen durch die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit ausgeglichen werden, was den Druck auf die unteren 30% des Lohngefüges voraussetzt. Bei den Bruttolöhne von 1,2 Billionen lassen sich die 20-30 Mrd. schnell wieder reinholen. Als angenehmer Nebeneffekt in Zeiten knapper Renditen kann sich auch ein zusätzlicher Nachfragedruck auf den Wohnungsmarkt erweisen.