Bezahlkarte für Geflüchtete: Berlin geht als Letzte an den Start
Ab 2026 soll auch in der Hauptstadt die Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt werden – mit etwas besseren Konditionen. Das Grundproblem bleibt.

Die Bundesländer hatten im Herbst 2023 die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen. Mit ihr sollen vor allem Zahlungen ins Ausland verunmöglicht werden, mit denen Geflüchtete angeblich Millionen Euro Steuergelder für „Schlepper“ ausgeben. Auf die Karte werden die monatlichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgezahlt, die es bisher in der Regel bar gab. Mit der Karte soll nur ein begrenzter Betrag pro Monat in bar abhebbar sein, in den meisten Bundesländern sind es 50 Euro pro erwachsenem Flüchtling; bezahlen können die Menschen mit der Karte also nur dort, wo Kartenzahlung grundsätzlich möglich ist. Teilweise ist die Karte zusätzlich regionalen Beschränkungen unterworfen.
In Berlin hatte sich der Senat im Dezember auf die Einführung der Karte verständigt, obwohl Kiziltepe zunächst dagegen war. Am Ende einigten sich CDU und SPD darauf, dass in Berlin die Bargeldbeschränkung der Karte nach sechs Monaten aufgehoben wird – und die Karte überhaupt nur neu ankommenden Geflüchteten ausgestellt wird. Zudem sollen auch pro Kind monatlich 50 Euro bar abgehoben werden können. Auch sollen mit der Karte in Berlin, anders als etwa in Bayern, Überweisungen und Online-Handel weitgehend selbst bestimmt möglich sein, nur einzelne Waren und Dienstleistungen, die auf einer „Schwarzen Liste“ stehen, sollen ausgeschlossen sein.
In allen anderen Bundesländern außer Berlin ist die Karte inzwischen laut einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes eingeführt; in vielen Flächenländern allerdings nur dort, wo Geflüchtete in vom Land betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen leben, nicht aber in den Kommunen, auf die sie später verteilt werden. Nach wie vor gibt es Widerstand in zahlreichen Kommunen, die Mehraufwand für ihre Mitarbeitenden befürchten. In Brandenburg hat sich nur Potsdam der Karte verweigert, hier hatten sich die Stadtverordneten im Dezember aus politischen Gründen gegen die Einführung entschieden.
Viele Fehler in anderen Bundesländern
Tatsächlich haben sich viele Befürchtungen von Kritikern, dass sie Karte stigmatisiere und das Leben erschwere, bewahrheitet. So berichteten Geflüchtete aus Brandenburg dem Tagesspiegel von Mahnbescheiden, weil sie ihr Deutschlandticket mit der Bezahlkarte nicht per Überweisung bezahlen konnten. Andere bekamen ihre Leistungen nicht rechtzeitig auf der Karte gut geschrieben und wussten nicht, wie sie sich Essen kaufen sollten. Wieder andere berichteten, dass nicht alle Geschäfte, die Kartenzahlung haben, die Bezahlkarte akzeptieren.
In Brandenburg gibt es für Zahlungen und Überweisungen sowohl eine Verbots- als auch eine Erlaubnisliste – nur an Empfänger, die auf letzterer stehen, können Geflüchtete selbstständig Geld überweisen, erklärt die von den Flüchtlingsräten Berlin und Brandenburg initiierte Kampagne nein-zur-bezahlkarte.de. Die Kampagne hat eine Aktion initiiert, bei der Menschen mit Bezahlkarte und solche ohne Gutscheine gegen Bargeld tauschen.
Denn am Grundproblem, dass Kritiker wie die Flüchtlingsräte von Beginn an sahen, wird auch die relativ großzügige Berliner Regelung nichts ändern: dass die Bezahlkarte nur dort funktioniert, wo man elektronisch bezahlen kann. Das aber ist auch im 21. Jahrhundert nicht überall der Fall: „Ob unter Freund*innen und Bekannten, im Bus, bei den Tafeln, auf dem Flohmarkt, an bestimmten Automaten, auf Wochenmärkten, in der Schule oder am Imbiss. Bei kleineren oder größeren Bargeldbeträgen hilft die Bezahlkarte den Betroffenen an diesen und vielen weiteren Orten nicht weiter“, schreibt das Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus.
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