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Bezahlkarte für GeflüchteteBerlin geht als Letzte an den Start

Ab 2026 soll auch in der Hauptstadt die Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt werden – mit etwas besseren Konditionen. Das Grundproblem bleibt.

Funktioniert leider nur dort, wo man mit Karte zahlen kann: Eine Muster-Bezahlkarte für Geflüchtete Foto: Harald Tittel | dpa

Berlin taz | In Berlin wird die Bezahlkarte für Geflüchtete ab Anfang kommenden Jahres eingeführt. Bis dahin müssten noch einige rechtliche, personelle, organisatorische und technische Dinge geregelt werden, erklärte der Sprecher der zuständigen Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Dienstagvormittag auf taz-Anfrage. „Auch beim Datenschutz, bei finanziell-wirtschaftlichen Angelegenheiten sowie zahlungs- und abrechnungstechnischen Voraussetzungen sind wir noch in der Klärung und Absprache.“ Erst wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien, werde die Karte eingeführt. Zuerst hatte der Tagesspiegel berichtet.

Die Bundesländer hatten im Herbst 2023 die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen. Mit ihr sollen vor allem Zahlungen ins Ausland verunmöglicht werden, mit denen Geflüchtete angeblich Millionen Euro Steuergelder für „Schlepper“ ausgeben. Auf die Karte werden die monatlichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgezahlt, die es bisher in der Regel bar gab. Mit der Karte soll nur ein begrenzter Betrag pro Monat in bar abhebbar sein, in den meisten Bundesländern sind es 50 Euro pro erwachsenem Flüchtling; bezahlen können die Menschen mit der Karte also nur dort, wo Kartenzahlung grundsätzlich möglich ist. Teilweise ist die Karte zusätzlich regionalen Beschränkungen unterworfen.

In Berlin hatte sich der Senat im Dezember auf die Einführung der Karte verständigt, obwohl Kiziltepe zunächst dagegen war. Am Ende einigten sich CDU und SPD darauf, dass in Berlin die Bargeldbeschränkung der Karte nach sechs Monaten aufgehoben wird – und die Karte überhaupt nur neu ankommenden Geflüchteten ausgestellt wird. Zudem sollen auch pro Kind monatlich 50 Euro bar abgehoben werden können. Auch sollen mit der Karte in Berlin, anders als etwa in Bayern, Überweisungen und Online-Handel weitgehend selbst bestimmt möglich sein, nur einzelne Waren und Dienstleistungen, die auf einer „Schwarzen Liste“ stehen, sollen ausgeschlossen sein.

In allen anderen Bundesländern außer Berlin ist die Karte inzwischen laut einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes eingeführt; in vielen Flächenländern allerdings nur dort, wo Geflüchtete in vom Land betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen leben, nicht aber in den Kommunen, auf die sie später verteilt werden. Nach wie vor gibt es Widerstand in zahlreichen Kommunen, die Mehraufwand für ihre Mitarbeitenden befürchten. In Brandenburg hat sich nur Potsdam der Karte verweigert, hier hatten sich die Stadtverordneten im Dezember aus politischen Gründen gegen die Einführung entschieden.

Viele Fehler in anderen Bundesländern

Tatsächlich haben sich viele Befürchtungen von Kritikern, dass sie Karte stigmatisiere und das Leben erschwere, bewahrheitet. So berichteten Geflüchtete aus Brandenburg dem Tagesspiegel von Mahnbescheiden, weil sie ihr Deutschlandticket mit der Bezahlkarte nicht per Überweisung bezahlen konnten. Andere bekamen ihre Leistungen nicht rechtzeitig auf der Karte gut geschrieben und wussten nicht, wie sie sich Essen kaufen sollten. Wieder andere berichteten, dass nicht alle Geschäfte, die Kartenzahlung haben, die Bezahlkarte akzeptieren.

In Brandenburg gibt es für Zahlungen und Überweisungen sowohl eine Verbots- als auch eine Erlaubnisliste – nur an Empfänger, die auf letzterer stehen, können Geflüchtete selbstständig Geld überweisen, erklärt die von den Flüchtlingsräten Berlin und Brandenburg initiierte Kampagne nein-zur-bezahlkarte.de. Die Kampagne hat eine Aktion initiiert, bei der Menschen mit Bezahlkarte und solche ohne Gutscheine gegen Bargeld tauschen.

Denn am Grundproblem, dass Kritiker wie die Flüchtlingsräte von Beginn an sahen, wird auch die relativ großzügige Berliner Regelung nichts ändern: dass die Bezahlkarte nur dort funktioniert, wo man elektronisch bezahlen kann. Das aber ist auch im 21. Jahrhundert nicht überall der Fall: „Ob unter Freun­d*in­nen und Bekannten, im Bus, bei den Tafeln, auf dem Flohmarkt, an bestimmten Automaten, auf Wochenmärkten, in der Schule oder am Imbiss. Bei kleineren oder größeren Bargeldbeträgen hilft die Bezahlkarte den Betroffenen an diesen und vielen weiteren Orten nicht weiter“, schreibt das Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus.

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4 Kommentare

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  • Viele Geflüchtete haben zuvor in wirtschaftlich schwierigen Umgebungen ohne Sozialleistungen gelebt. Die Nutzung von Bezahlkarten, die regelmäßig und vorhersehbar mit einerm neuen Guthaben aufgefüllt werden, stellen doch fast immer eine gewaltige Verbesserung gegenüber den früheren Lebensverhältnissen dar. Das die Karte stigmatisieren würde, erscheint als Jammern auf einem bis dahin unbekannten Niveau.

    Die Abwicklung von Zahlungen über die Bezahlkarte ist auch nur für einen kurzen vorrübergehenden Zeitraum vorgesehen. Sie wird von den Nutzern durch ein reguläres Gehaltskonto ersetzt.

  • Gibt es eigentlich belastbare Daten zur Einführung der Bezahlkarte?



    Die Grundidee war ja die angeblich überbordenden Auslandsüberweisungen zu reduzieren. Ist dies gelungen?



    Ist dadurch dieser angebliche "Pullfaktor" weggefallen?



    Ist die Einführung der Karte nun eine Kosteneinsparung für die Behörden oder ist es gar Mehraufwand?

    Wenn man ein Thema mit derart großem Tam-Tam wie die Bezahlkarte einführt, muss man doch auch die Resultate bewerten!



    Ich befürchte, dass das wieder Mal alles heiße Politiker-Luft war, und nur viele Meinungen und keine Daten existieren!

  • Berlin mal wieder mit Extrawürsten extra langsam. Die Bezahlkarte erfüllt ihre Zwecke. Weniger Verwaltungsaufwand und weniger Annehmlichkeiten für die Nutzer. Zu hohe Bargeldausschüttungen und die Möglichkeiten zu unkontrollierten Überweisungen konterkarieren den Zweck der Karte. Typisch SPD, typisch Berlin. Nicht in der Lage Probleme zu benennen und geschweigedenn zu lösen.

  • Die Bezahlkarte ist doch ohnehin nur ein Thema, bis Asylbewerber:innen nach drei oder spätestens neun Monaten eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit annehmen. Ich meine, dass diese Zeit zu überbrücken ist.



    Unabhängigkeit geht meiner Meinung nach mit Selbstverantwortung einher. Es ist selten möglich, unabhängig zu sein, ohne Verantwortung für die eigene Existenzsicherung zu übernehmen. Das sehe ich bei Hausfrauenehen ebenso.