Bezahlkarte für Geflüchtete: Bares ist Rares

In einigen Bundesländern ist die Bezahlkarte für Asylbewerber bereits im Einsatz. Nun soll sie auch in Berlin eingeführt werden.

Mit der Bezahlkarte wird das Einkaufen schwierig, da nur Bargeld akzeptiert wird Foto: Ernst Boese/imago

BERLIN taz | Berlin wird die Bezahlkarte für Asylbewerber einführen. Obwohl Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Bezahlkarte politisch eigentlich ablehnt, sieht sie sich wegen des bundespolitischen Rahmens dazu verpflichtet. Ab wann und wie genau die Bezahlkarte kommt, ist noch nicht klar. In den Bundesländern, wo die Bezahlkarte bereits gilt, bekommen Asylbewerber lediglich 50 Euro Bargeld, Kinder weniger, in vielen Bundesländern nur 10 Euro. Geldüberweisungen sind nur möglich, wenn das Amt dies vorher genehmigt.

Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat berichtet von „flächendeckenden Problemen“, seit es in seinem Bundesland die Bezahlkarte gibt. „Wochenmärkte, kleinere Lebensmittelläden nehmen die Bezahlkarte nicht an. Kinder können kein Bargeld mehr für Materialien, Ausflüge oder Essen mit in die Schule“ oder Kita nehmen.

Gegenüber der taz spricht Schmidtke von einer Schuldenfalle, in die viele Flüchtlinge geraten würden. Wenn sie weiterhin ihre Gebühren für das Fitnessstudio, den Rechtsanwalt oder das Telefon bezahlen wollen, müsse das Sozialamt vorab jede Überweisung mit IBAN extra freischalten. „Bis das geschehen ist, ist oft bereits die Mahnung eingegangen und die Mahngebühren müssen dann erneut vom Amt freigegeben werden. Das kann eine Spirale ohne Ende werden,“ sagt Schmidtke. Für das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, das ohnehin wegen Personalnot viele Aufgaben zu langsam bewältigt, wird das zu einer besonderen Herausforderung.

Ein weiteres Problem sieht Schmidtke darin, dass Familien lediglich eine einzige Bezahlkarte erhalten. Wenn zum Beispiel die Mutter die Karte hat, nicht anwesend ist und ein anderes Familienmitglied dringend ein Medikament oder einen Drogerieartikel kaufen muss, ginge das nicht, erläutert er.

Familien erhalten lediglich nur eine Bezahlkarte

Wie ist Berlin auf die Bezahlkarte vorbereitet? Da Berlin anders als Sachsen keine Kitagebühren erhebt, fällt zumindest das Problem weg, dass man in eine Schuldenfalle gerät, wenn diese wegen Bearbeitungsstau am Amt nicht rechtzeitig bezahlt werden oder man deshalb gar den Kitaplatz verliert, wie es in Sachsen häufig passiert. „Selbst die Kostenbeiträge zum Essen in der Kita werden für Familien mit Transfermittelbezug in Berlin erstattet“, sagt Camilla Schuler (Linke), Jugendstadträtin von Lichtenberg, der taz. Auch andere Jugendämter sehen da keine Probleme auf sich zukommen.

Anders ist es bei Berliner Dönerständen. Für viele Flüchtlinge ist ein Döner die einzige Außer-Haus-Mahlzeit, die man sich gelegentlich leisten kann, wenn man wegen des Deutschkurses oder eines Behörden­termins die Mahlzeiten nicht im Wohnheim einnehmen kann. Doch kaum ein Dönerstand akzeptiert Kartenzahlung und damit die künftige Bezahlkarte. Die Benutzung öffentlicher Toiletten ist mit Bezahlkarte unmöglich.

Schwierig ist die Bezahlung von Rechtsanwaltsgebühren. Viele Flüchtlinge lassen sich im Asylverfahren von einem Anwalt vertreten und stottern die Gebühren in 50- oder 60-Euro-Monatsraten ab. Das Geld wird entweder per Dauerauftrag überwiesen oder aber jeden Monat bar in die Anwaltskanzlei gebracht. Das zweite geht in Zukunft gar nicht mehr, das erste nur, wenn die Sozialhilfebehörde der Überweisung vorab zustimmt, was datenschutzrechtlich allerdings problematisch ist.

Ein großes Problem wird die Bezahlung von Sprachkursen und den damit verbundenen Nebengebühren sein. Die meisten Sprach- und Integrationskurse in Berlin sind kostenlos. Dies gilt jedoch nicht für Spezialkurse wie Frauenkurse mit Kinderbetreuung oder weiterführende Kurse, die spezifische Sprachfertigkeiten vertiefen, trainieren oder gezielt auf Prüfungen vorbereiten. Aus Sicht der Volkshochschule Pankow spricht nichts dagegen, dafür in Zukunft die Bezahlkarte zu akzeptieren, sagt ein Sprecher des Bezirkes. Private Kursanbieter müssten überlegen, ob sie ein Kartenlesegerät anschaffen. Unmöglich ist es, mit der Bezahlkarte Verpflegung für den Sprachkurs zu zahlen. So stehen in den meisten Volkshochschulen Kaffeeautomaten, wo man für 70 Cent (manchmal 50 Cent) in der Pause einen Kaffee kaufen kann – bei einem drei- bis fünfstündigen Deutschkurs mehr als sinnvoll. Hier werden laut Auskunft aus Pankow und Tempelhof-Schöneberg jedoch keine Bezahlkarten akzeptiert.

Großes Problem wird die Bezahlung von Sprachkursen

Auch die Bücher für den Deutschkurs müssen die Teilnehmer selbst bezahlen. Die kosten zwischen 12 und 20 Euro und sind in Alphabetisierungs- und Orientierungskursen monatlich, in anderen Kursen etwa alle zwei Monate fällig. Gerade in Alphabetisierungskursen haben die Lehrkräfte bisher oft die Bücher für ihre Teilnehmer im Buchhandel gekauft und diese bar an die Teilnehmer weiterverkauft, weil es Analphabeten schwer fällt, sich im Buchhandel verständlich zu machen. Das wird jetzt nicht mehr möglich sein, sodass der Buchkauf eine zusätzliche Hürde wird und viele Teilnehmer dann vermutlich ohne Buch im Kurs sitzen.

Eine Herausforderung wird die Bezahlkarte auch für S-Bahn und BVG. BVG-Sprecher Nils Kremmin sagt der taz, dass mit der Bezahlkarte an Automaten und in Kundenzentren bezahlt werden kann. Dort erhält man sowohl Einzelfahrscheine als auch das kostengünstige Sozialticket. Bisher gibt es aber keine Lösung für das 49-Euro-Ticket. Das kann man bisher nur im Abo erwerben und die Gebühren müssten dann vom Konto abgezogen werden, was die Sozialbehörde regelmäßig extra bewilligen muss. Das 49-Euro-Ticket brauchen vor allem Flüchtlinge aus Brandenburg, die in Berlin Sprachkurse besuchen. Sie machen in den Randbezirken bis zu 50 Prozent der Kursteilnehmer aus. Wenn für sie keine Lösung gefunden wird, muss die Integration warten, bis der Asylantrag angenommen ist und sie damit nicht mehr unter die Restriktionen der Bezahlkarte fallen. Für Berliner Flüchtlinge ist das 49-Euro-Ticket nötig, wenn man in Brandenburg ein Praktikum absolviert.

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