Bewegungstermine in Berlin: Endspurt im Antira-Wahlkampf
Der Bundestagswahlkampf hat Rassismus normalisiert. Vor den Wahlen finden zahlreiche antifaschistische Veranstaltungen statt.
A m Sonntag ist das Wahlspektakel endgültig vorbei. Über Wochen haben sich die Parteien der sogenannten Mitte nun gegenseitig darin überboten, die Schuld für dieses und jenes, eigentlich für alles, den Geflüchteten oder auch nur denen, die „anders“ aussehen, zuzuschieben. In der Spitze hat die CDU versucht, für einen Politstunt mit den Faschist:innen der AfD zu paktieren. Dieser Wahlkampf war der Gipfel eines Entgrenzungsprozess von Rassismus, der nun schon seit einigen Jahren anhält. Wie konnte es nur dazu kommen?
Fünf Jahre ist es am Mittwoch her, dass der Rechtsterrorist Tobias R. in Hanau willkürlich Menschen ermordete, weil sie nicht in sein faschistisches Weltbild passten. Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov wurden getötet, auch, weil diese Gesellschaft offensichtlich einen guten Nährboden für rechte Terroristen bietet.
Doch was ist seit Hanau geschehen? Viel, nur leider wenig in die richtige Richtung. Nicht nur an der Aufklärung von behördlichen Ermittlungsmängeln, auch an einer gesamtgesellschaftlichen Debatte darüber, wie Hanau passieren konnte, scheint in Deutschland kein Interesse zu bestehen. Im Gegenteil: „Die Ausländer sind schuld“ ist das universelle Credo konservativer und neoliberaler Politik geworden, eine Diskursdynamik, deren Zugkraft längst die sozialdemokratische und grüne Partei erfasst hat.
Die Konsequenz ist Widerstand
Die Migrantifa, die sich als migrantische Selbstschutzorganisation als direkte Konsequenz auf das Staats- und Gesellschaftsversagens des Rechtsterrorismus gegründet hat, gibt gegen den systemischen Rassismus die Losung „Die Konsequenz bleibt Widerstand“ aus. Wie in jedem Jahr mobilisiert die Berliner Migrantifa am Jahrestag des Anschlags von Hanau zu einem antirassistischen Kampftag. Los geht es am Mittwoch (19. 2.) um 17:30 Uhr mit einer Gedenkkundgebung am Sonnencenter in der High-Deck-Siedlung, anschließend zieht um 19 Uhr eine Demonstration zum Hermannplatz.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Gleich am Donnerstagabend (20. 2.) geht der Kampf gegen den deutschen Rassismus weiter. Da kommt nämlich Mr. Burns (CDU) nach Berlin, jener Typ also, der derzeit die Zusammenarbeit von Konservativismus und Faschismus in Deutschland vorzubereiten scheint. Doch gegen die Taktik von solchen rechten Strategen, mit Rassismus von den sozialen Missständen in Deutschland und von der fortwährenden Umverteilung von unten nach oben abzulenken, gibt es Widerstand. Unter dem Motto „Nein zu Merz, Rassismus und Sozialabbau!“ ist Gegenprotest angekündigt (19 Uhr, Gasometer, Torgauer Str.).
Am Samstag, dem 22. Februar – dem Tag vor der Wahl – versuchen dann die Neonazis vom Aktionsbündnis Berlin, erneut durch Berlin zu laufen. Bereits im Dezember hatte sich die Gruppe an einem Aufmarsch durch Friedrichshain versucht – wurde aber blockiert. Nun versuchen es die Faschos in Berlin-Mitte. Die Demo „für recht und Ordnung gegen links Extremismus und politisch motivierte Gewalt“ (sic!) beginnt um 11:30 Uhr am Dorothea-Schlegel-Platz beim S-Bahnhof Friedrichsstraße und will von dort aus am Reichstagsufer entlang bis zur Weidendammer Brücke ziehen, anschließend geht die Naziroute über die Friedrichstraße, Chausseestraße und Invalidenstraße zum Europaplatz.
Nazis blockieren
Eine Gegendemo, um die Faschos zu blockieren, startet um 11:30 Uhr am Berthold Brecht Platz, auf der anderen Seite der Spree vor dem Berliner Ensemble. Zudem gibt es eine Gegenkundgebung an der Oranienburger Straße Ecke Friedrichsstraße. Aktivist:innen haben eine Aktionskarte zur besseren Übersicht erstellt, aktuelle Informationen gibt es in einem antifaschistischen Liveticker.
Gleichzeitig, ebenfalls am Samstag, rufen Antifa-Gruppen auch nach Hohenschönhausen, wo die AfD ihren Wahlkampfabschluss abhalten will. In Lichtenberg versucht die westdeutsche Adlige Beatrix von Storch, das Direktmandat zu gewinnen. Auch Neonazis, die im Dezember noch Teil der Demo in Friedrichshain waren, werden hier erwartet. Um 12:30 Uhr startet die Demonstration vom S-Bahnhof Hohenschönhausen zum Prerower Platz, wo es gilt, sich der AfD zu widersetzen.
Empfohlener externer Inhalt
Schließlich findet am Samstag ab 14 Uhr vor dem Bundeskanzleramt (Willy-Brandt-Straße 1) eine Kundgebung und ein Protestsingen gegen die Abschottungspolitik statt. Musikalisch sind Dota Kehr, Max Prosa, Mal Élevé sowie die Berliner Chöre Hans-Beimler-Chor und Judiths Krise mit dabei, um dafür zu werben, bei der Wahl für Menschlichkeit und Solidarität zu stimmen. Ebenfalls auftreten werden die Mittelmeer-Monologe. Die Gruppe Castellers de Berlin wird in katalanischer Tradition einen Menschenturm errichten – als Symbol für Gemeinschaft und Zusammenhalt.
Am Sonntag schließlich sind die Wahlen. Zu erwarten ist trotz der jüngsten Zugewinne der Linkspartei ein gravierender Rechtsruck, der Angst machen kann. Um den Tag nicht alleine verbringen zu müssen, bietet das About Blank einen Anlaufpunkt. Im „Antifaschistischen Wintergarten wider die Wahlergebnisse“ gibt es Brunch, Unterhaltungsmusik und Balkendiagramme, wenn ab 18 Uhr die bitteren Wahrheiten einlaufen. Vor Ort sind auch Antifa-Initiativen für all jene, die sich organisieren wollen (Sonntag, 23. 2., Markgrafendamm 24c, ab 14 Uhr).
Für alle, die ihrem Frust Ausdruck verleihen wollen, gibt es ab 18 Uhr Proteste vor dem Konrad-Adenauer-Haus, wo sich die CDU vermutlich dafür feiern wird, dass ihre Strategie, Wahlkampf auf dem Rücken der Rechte von Geflüchteten zu machen, aufgegangen ist. „Wir wollen gemeinsam vor der CDU protestieren – gegen die Merz-Kanzlerschau und jene Parteien der Mitte, deren Brandmauer nie eine war“, heißt es im Aufruf. Denn vor und nach der Wahl, ob in Hanau oder vor der CDU-Zentrale gilt: Die Konsequenz bleibt Widerstand (Sonntag, 23. 2., Konrad-Adenauer-Haus, 18 Uhr).
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen