Bewegungstermine in Berlin: Angriff auf das vielfältige Leben
Neonazis mobilisieren, um eine feministische Demo in Marzahn zu stören. Sie fühlen sich ermächtigt, weil die bürgerliche Gesellschaft verroht.
A ls im Sommer Neonazis begannen, CSD-Paraden vor allem in Ostdeutschland zu attackieren, war das der Versuch, der queeren Bewegung einen ihrer wichtigsten erkämpften Freiräume wegzunehmen. Offensichtlich glaubten die Nazis, dafür inzwischen stark genug zu sein. Sie glaubten, einen Teil der Bevölkerung für ihren menschenverachtenden Kampf gegen das vielfältige Leben hinter sich zu wissen.
Dieses neue Stärkegefühl der Neonazis kommt nicht aus dem Nichts. Die Nazis werden befeuert von einem Diskurs, der inzwischen in beinahe jede Richtung in autoritäre Menschenverachtung entgleist ist: In der Bürgergelddebatte, wie über Asylsuchende gesprochen wird, wie über Klimaaktivist:innen. Deutsche Bürgerliche glauben ja inzwischen sogar, selbst den Antisemitismus auf Migrant:innen schieben zu können.
Die bürgerliche Gesellschaft driftet ins Autoritäre ab, weil sie unfähig ist, die vielfältigen Krisen dieser Zeit – Klima, Kriege, Wirtschaft, Fluchtbewegungen – zu meistern. In dieser Situation fühlen sich Nazis ermächtigt, was sich konkret in Versuchen der öffentlichen Raumnahme zeigt. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Attacke Anfang Juli von mutmaßlichen Anhängern des „Dritten Weg“ auf Antifas am helllichten Tag am Ostkreuz.
Das Patriarchat sterben lassen
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Für das kommende Wochenende holen die Neonazis zu einem weiteren Angriff aus. Sie werden versuchen, feministische Kämpfe aus Marzahn zu vertreiben. Dort, am S-Bahnhof Raoul-Wallenberg Straße, startet am Samstag (19. 10.) um 16 Uhr eine „kämpferische feministische Herbstdemo“ unter dem Motto „Patriarchat sterben lassen“. Der Aufruf richtet sich gegen die alltägliche patriarchale Gewalt und die Neonazistrukturen in Marzahn-Hellersdorf, wo auch die AfD in Berlin große Wahlerfolge feiert. Zu der Demo rufen eine Reihe von Antifagruppen aus dem Berliner Osten auf.
Die Organisator:innen vermelden nun, dass Nazigruppen zu Gegenprotest und Störaktionen gegen die feministische Demonstration mobilisieren und dafür auch Kader aus dem Hinterland in die Hauptstadt schaffen wollen. Für alle Antifas heißt das deshalb, die Demo zu unterstützen. Denn wie es im Aufruf heißt: „Kreuzberger Gratismut ist vorbei, gerade in Berliner Außenbezirken, wo viele der Faschos wohnen, muss Antifeminismus und Faschismus die Stirn geboten werden!“.
Höchste Zeit wird’s, denn die Nazis sind immer nur so stark, wie es die antifaschistische Gegenwehr zulässt. Auch die Attacken auf die CSD-Paraden konnten teils durch entschlossene Gegenwehr abgewehrt werden. Der kommende Samstag wird deshalb ein wichtiger Termin, um den Faschos klarzumachen, dass sie in Berlin immer noch mit entschlossener Gegenwehr rechnen müssen.
Antifaschistischer Bastelabend
Wer noch nicht allzu viel Demoerfahrung hat, sich unsicher ist oder auch einfach nur Lust auf einen antifaschistischen Abend hat, kann bereits einen Tag zuvor einer Einladung der Lichtenberger Jugendantifa folgen. Die lädt zu einem gemütlichen Bastel- und Spieleabend ein, um gemeinsam Schmuck zu machen, zu nähen oder Demosprüche-Memory zu spielen. Vor Ort beantworten Menschen auch Fragen zur Demonstration (Donnerstag, 18. 10., Türrschmidtstraße 1, 16 Uhr).
Wer sich über eine Demo hinaus antifaschistisch engagieren möchte, kann den ersten Schritt dafür zum Beispiel am Mittwoch (16. 10.) tun. Da findet um 19 Uhr im Bandito Rosso (Lottumstr. 10a) das Offene Antifa Treffen (OAT) statt. Es gibt einen Inputvortrag, in dem die vergangenen Landtagswahlen reflektiert werden sollen, anschließend gibt es Zeit, sich kennenzulernen.
Speziell für Antifa-Aktivismus in Lichtenberg ist der Tresen der dortigen Antifaschistischen Vernetzung (AVL) gedacht. Der Tresen findet kommenden Montag (21. 10.) um 19 Uhr im Plattenkosmos (Magdalenenstr. 19) statt. Es gibt einen Infovortrag über die rechte Hetze gegen geplante Geflüchtetenunterkünfte in einem ehemaligen Hotel an der Landsberger Allee sowie in einer Containersiedlung in Hohenschönhausen. Anschließend gibt es auch hier die Möglichkeit, aktiv zu werden.
Und weil der Kampf gegen den Faschismus immer auch der Kampf gegen die Festung Europa ist, informiert die IL Berlin am kommenden Dienstag über die Lage von Geflüchteten, die im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen unter katastrophalen Bedingungen gefangen sind. Beim Jour Fixe sprechen wird Marek Jakubowski, der über die aktuelle Situation in Polen und die Rolle von Frontex berichten wird. Anschließend lässt sich mit Menschen von der Interventionistischen Linken ins Gespräch kommen (Dienstag, 22. 10., B-Lage, Mareschstr. 1, 19:30 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich