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Bewegungstermine in BerlinKein vergeblicher Kampf

Der Oranienplatz ist längst geräumt, dennoch bleibt er ein Symbol der Selbstermächtigung Geflüchteter. Eine Ausstellung erinnert an die Besetzung.

Ist zum Symbol der Selbstermächtigung von Geflüchteten geworden: Die Besetzung des Oranienplatzes Foto: dpa

Z ehn Jahre ist es mittlerweile her, dass im September 2012 rund 30 Flüchtlinge mit einem Protestmarsch 500 Kilometer von München nach Berlin zu Fuß liefen. Zuvor hatte sich ein Geflüchteter in einem Würzburger Asylheim erhängt. Keine Abschiebungen mehr, forderten die Flüchtlinge, keine Sammellager, endlich Bewegungsfreiheit.

Am Ende landeten sie auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Rund 100 Menschen lebten dort in dem Protestcamp mit sechs Großzelten, rund einem Dutzend Bauwagen und einem Zirkuszelt für Versammlungen. Zwei Jahre blieben die Ak­ti­vis­t*in­nen dort, verweigerten sich dem Asylsystem und kämpften für ihre Rechte. Vieles wurde ihnen versprochen, am Ende wurde der Platz geräumt, einen legalen Aufenthaltsstatus erhielten nur die wenigsten.

Dennoch ist der Platz für viele ein Symbol der Selbstermächtigungsgeschichte geflüchteter Menschen, die in der Besetzung des Oranienplatzes und später dann auch der Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße ihren Höhepunkt fand.

Der International Woman Space, eine feministische Gruppe geflüchteter Frauen und Mi­gran­t*in­nen ist vor zehn Jahren aus der O-Platz-Besetzung hervorgegangen und feiert anlässlich des zehnjährigen Jubiläums mit einer fünftägigen Open-Air-Kunstbaustelle die Geschichte des Refugee-Resistance-Movements. Mit dabei ist auch die bekannte US-amerikanische Schwarze Aktivistin und Bürgerrechtlerin Angela Davis, die am Donnerstag eine Pressekonferenz zum rassistischen Umgang mit BiPoC Geflüchteten abhalten wird (Mittwoch, 5. Oktober – Sonntag, 10. Oktober, Oranienplatz Berlin).

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Frauen, Leben, Freiheit

Der Kampf um Menschenrechte ist auch Thema der kurdischen Bewegung. Angesichts zunehmender Repression und Angriffe durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf kurdische Gebiete, gerät die kurdisch-sozialistische Bewegung zunehmend unter Druck.

Wie angesichts dessen internationale Solidarität aussehen kann, ist Thema einer Podiumsdiskussion am Donnerstag. Verschiedenen Re­fe­ren­t*in­nen werden dabei über politische Gefangene und Isolationshaft, die kurdische Frauenbewegung und Frauenrechte in Kurdistan-Türkei, die Flüchtlingspolitik der Türkei und die kurdische Bewegung in Deutschland vor den Türkei-Wahlen im nächsten Jahr informieren (Donnerstag, 6. Oktober, 19 Uhr, Oyoun, Lucy-Lameck-Straße 32, Neukölln).

In Berlin ist man von einer sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Politik weiter entfernt als in Rojava. Das soll sich mit der Konferenz „Vergesellschaftung: Strategien für eine demokratische Wirtschaft“ ändern. Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Gewerkschafter*innen, Po­li­ti­ke­r*in­nen und viele mehr blicken an insgesamt drei Tagen auf vergangene Erfolge und Niederlagen, laden zum konstruktiven Austausch ein und stärken bestehende wie entstehende Bewegungen. Alles mit dem Ziel, radikale Perspektiven auf die Gegenwart für eine bessere Zukunft einzunehmen – und die Eigentumsfrage zu stellen. Aufgrund der großen Nachfrage ist die Anmeldung zwar schon geschlossen, es wird aber einen Livestream der Veranstaltung geben (Freitag, 7. Oktober – Sonntag, 9. Oktober, TU Berlin).

Den Rechten die Show stehlen

Angesichts der Preissteigerungen in allen Lebensbereichen wird nicht nur Vergesellschaftung der öffentlichen Infrastruktur und Grundversorgung immer relevanter, auch soziale Bewegungen auf der Straße gewinnen zunehmend an Fahrt. Damit die Proteste gegen die aktuelle Krisenpolitik nicht von Rechten gekapert werden, die die Existenzängste der Bevölkerung für ihr menschenverachtendes Weltbild instrumentalisieren, braucht es soziale und demokratische Lösungen.

Das linke Bündnis Unverwertbar ruft daher für Samstag zum Protest gegen steigende Preise auf und hat dabei eine solidarische Gesellschaft im Blick. Also raus aus der Armut, rauf auf die Straße! (Samstag, 9. Oktober, 13 Uhr, Leopoldplatz Wedding).

Auch die AfD mobilisiert für Samstag nach Berlin und will das erste mal seit 2018 mit Tausenden Rechtsextremen durch die Straßen der Hauptstadt marschieren. Damals wurde ihnen durch Zehntausende Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen die Show gestohlen. Ein breites Bündnis aus über 170 Clubs rief unter dem Motto AfD wegbassen zum Gegenprotest auf.

Auch dieses mal will das Bündnis Reclaim Club Culture die Straße nicht den Neonazis überlassen und legt noch einmal nach: Ab 12 Uhr sind alle solidarischen Berliner*innen, ob mit oder ohne Soundsystem, aufgerufen, nach Mitte zu kommen und sich bei den vielfältigen Protesten dem völkisch-nationalen Soundtrack der AfD und ihren An­hän­ge­r*in­nen entgegenzustellen: Ob bei „AfD wegbassen – Alle hassen Nazis“ am Europaplatz, am Pariser Platz unter dem Motto „Für ein solidarisches Europa der Vielen. Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Nazis raus aus den Parlamenten“ oder an der Invalidenstraße unter dem Motto „Solidarität statt rechte Hetze“ und vielen weiteren Aktionen (Samstag, 9. Oktober, 12 Uhr, Mitte).

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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