Bewältigung der Schuldenkrise: Verpasste Chance für arme Länder
Deutschland blockiert beim IWF die Reform der Zinsaufschläge bei Schuldentilgungen. Das schadet besonders krisengebeutelten Ländern.
Dass der IWF also kein Instrument der Krisenbewältigung ist, zeigen für viele Kritiker:innen auch die sogenannten Surcharges – Zinsaufschläge von 1 bis 2 Prozent auf den Kredit, wenn die vereinbarte Tilgungszeit überschritten wird. Diese Aufschläge müssen die Länder zusätzlich zahlen – in Zeiten, in denen sie bereits in der Krise stecken.
Bei der Vorstandssitzung des IWF am Montag standen die Zinsaufschläge auf der Tagesordnung. Argentinien, Pakistan und andere hochverschuldete Länder forderten, sie abzuschaffen – oder zumindest vorübergehend auszusetzen.
Eine Einigung gab es nicht, wie ein Sprecher des IWF auf Anfrage der taz mitteilte: „Insgesamt gingen die Meinungen zu Änderungen der Zuschlagspolitik weiter auseinander, auch zu den Vorzügen eines vorübergehenden Verzichts auf Zuschläge.“
„Länder in derKrise werden noch zusätzlich bestraft“
Die politische Koordinatorin des deutschen Bündnisses erlassjahr.de, Kristina Rehbein, zeigte sich enttäuscht. Erlassjahr.de setzt sich seit vielen Jahren für die Abschaffung der zusätzlichen Gebühren ein. „Angesichts externer Schocks wie Ukrainekrieg und Coronapandemie hatten viele Länder kaum andere Möglichkeiten, als beim IWF Kredite aufzunehmen“, sagte sie der taz. „Sie werden für die Krise, in der sie stecken, zusätzlich noch bestraft. Wir haben in verschiedenen Papieren aufgezeigt, dass die zusätzlichen Gebühren die internen Krisen verschärfen.“
Dabei wäre die Abschaffung der Zinsaufschläge für den IWF relativ leicht in Angriff zu nehmen und ein wichtiger erster Schritt. „Die Schuldenkrise wäre dadurch natürlich noch nicht gelöst“, so Rehbein.
Durch die Pandemie, teure Energie im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine und vom Klimawandel ausgelöste Krisen wie die Fluten in Pakistan sind viele Länder im Globalen Süden noch tiefer in die Schulden geschlittert.
Deutschland und USA verhindern Abschaffung der Gebühren
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass sich neben den USA auch Deutschland gegen die Abschaffung eingesetzt hatte. Für Deutschland sitzt derzeit die Bundesbank im IWF-Vorstand. Ihre Positionen hat sie in Abstimmung mit dem FDP-geführten Finanzministerium (BMF) entwickelt.
„Die Bundesregierung ist ein einflussreicher Anteilseigner im IWF und hat entsprechend eine relativ hohe politische Wirkkraft im Vorstand. Wir hätten uns gewünscht dass sie das nutzt, um sich, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, für eine gerechtere Schuldenpolitik einzusetzen, die krisengeplagte Länder nicht weiter benachteiligt“, sagt Rehbein.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie im November 2020 hatte sich IWF-Direktorin Kristalina Georgieva zusammen mit Weltbankpräsident David Malpass für einen Schuldenerlass eingesetzt. Gefruchtet hat das offensichtlich bislang nicht. Ein Problem ist, dass eine Vielzahl von privaten und staatlichen Gläubigern, allen voran China, an den Tisch kommen müssten. Gespräche zu einer Umstrukturierung von Schuldenerlassen sind bisher allerdings gescheitert, etwa auf dem G7-Gipfel im Juni oder beim Treffen der G20-Finanzminister im Juli.
Rehbein fordert daher auch, dass der IWF die zentrale Rolle, die er im derzeitigen System bei der Verhandlung von Schuldenerlassen spielt, verantwortungsvoller ausübt. Denn die Institution ist der zentrale Player, sie berechnet etwa, wie hoch nötige Schuldenerlasse sein müssten, und steht in Kontakt mit den Gläubigern.
„Häufig rechnet der IWF die Schuldenerlässe zu klein und entmutigt Länder so, Schuldenerleichterungen aufzunehmen, die sie eigentlich dringend benötigen. Auch verlangt der IWF von ihnen Haushaltsreformen und -einsparungen, aber macht keine entsprechenden Vorgaben an Gläubiger“, so Rehbein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe