piwik no script img

Bevorstehende ZwangsräumungGenossenschaft gegen Genossen

Der Bauverein Reiherstieg will einen Mieter zwangsräumen lassen. Seine Unterstützer haben dagegen protestiert. Nun wurde der Mieter angezeigt.

Kölner fordern Wohnraum für alle: Auch in Hamburg protestieren Unterstützer gegen Zwangsräumungen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der „Bauverein Reiherstiegviertel“ will eines ihrer Mitglieder zwangsräumen lassen, aber einige NachbarInnen und FreundInnen des betroffenen Mieters wollen das nicht zulassen.

Eine Gruppe mobilisiert nun gegen die Zwangsräumung und hat der Genossenschaft am Donnerstag einen offenen Brief eingeworfen. Darin fordert sie die Genossenschaft auf, die Zwangsräumung auszusetzen und die Kündigung der Wohnung im Otterhaken zurückzuziehen.

Sollte der „Bauverein Reiherstieg“ den Forderungen nicht nachkommen, kündigte die Gruppe weitere Proteste und Blockaden an. Die Genossenschaft stellte daraufhin Strafanzeige gegen den betroffenen Mieter Heiko Götz.

Grund für die Kündigung waren verspätete Mietzahlungen, die Götz mittlerweile beglichen hat. Das bestätigte auch die Genossenschaft. Zwar sei es ungewöhnlich, wegen verspäteter Mietzahlungen zu so drastischen Maßnahmen zu greifen, räumte Thorsten Schulz, Vorstand des Bauvereins, ein.

„Aber das Mietverhältnis ist mittlerweile so zerrüttet, dass wir nun handeln müssen“, sagte er zur taz. Seit mehreren Jahren seien die Genossenschaft und Herr Götz schon im Clinch. Von allen Genossenschaftsmitgliedern sei die Akte von Heiko Götz die dickste.

Zudem fühlt sich die Genossenschaft von Götz’ Vorgehen bedroht: „Warum kommt Herr Götz nicht vorbei und sucht den Dialog?“, fragte Schulz. Stattdessen mit „zehn Vermummten zu kommen und Drohgebärden aufzuführen“, bezeichnete er als den „völlig falschen Weg“.

Unvermummt mit Kindern

Ganz so war es jedoch nicht: Götz war mit etwa dreißig UnterstützerInnen, unvermummt mit Kindern und Pappschildern mit der Aufschrift „Heiko bleibt!“ zum Genossenschaftsbüro in der Georg-Wilhelm-Straße gezogen. Dort wollten sie den offenen Brief mit den Forderungen dem Vorstand übergeben. Der Plan ging nicht auf, weil das Büro den ganzen Tag wegen eines Trauerfalls geschlossen war. Die AktivistInnen warfen den Brief ein und zogen wieder ab.

In dem Anschreiben zitieren die AktivistInnen die Genossenschaft: „Der Bauverein Reiherstieg wurde gegründet, um dem sozialen Elend und der Wohnungsnot mit vereinten Kräften entgegenzutreten“, heißt es auf deren Homepage. „Ungeachtet dessen“, schreiben die AktivistInnen, „ wollen Sie Herrn Götz aus seiner Wohnung zwangsräumen lassen, nur weil er die Miete zu spät überwiesen hat.“

Und sie kündigen an: „Sollten Sie an der Zwangsräumung festhalten, können wir Ihnen versichern, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um der von Ihnen verursachten Wohnungsnot mit vereinten Kräften entgegenzutreten.“ Götz droht die Obdachlosigkeit, sollte er zwangsgeräumt werden.

Seit 1999 lebt er in seiner Genossenschaftswohnung – und zahlt einen entsprechend geringen Quadratmeterpreis. Gegen Mieterhöhungen hat er sich mehrfach erfolgreich gewehrt.

Erfolgreich gewehrt

„Ich bin verliebt in den Genossenschaftsgedanken“, sagte Götz. Einmal im Jahr zur Mitgliederversammlung zu gehen, die Bekanntgabe der Dividende zu beklatschen, reiche ihm nicht. „Diese Konsummentalität ist nichts für mich“, sagte er. Spätestens seit der verhinderten Mieterhöhung von 20 Prozent, gegen die er sich 2008 gewehrt hatte, will die Genossenschaft ihn loswerden, glaubt er.

Den AktivistInnen geht es nicht nur darum, Götz zu helfen. Sie wollen generell auf Zwangsräumungen aufmerksam machen. „Zwangsräumungen sind das brutalste Instrument der Gentrifizierung“, sagte eine Aktivistin. In Hamburg finden im Durchschnitt vier Zwangsräumungen pro Tag statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Selbstherrlichkeit und Willkür macht sich auch beim Vorstand der Hamburger Baugenossenschaft FLUWOG breit, der längst Mieten von Mitgliedern drastisch erhöht, die es gewagt haben, Unmut über fragwürdige Entscheidungen des Vorstands zu äußern.

  • Hier die aktuelle Stellungsnahme meiner Genossenschaft. Damit kommt Licht ins Dunkle.

     

    "Zur Zwangsräumung einer Wohnung im Otterhaken 10

    Liebe Mitglieder,

    mit Bedauern müssen wir Ihnen über den für kommenden Montag angesetzten Räumungstermin im Hause Otterhaken 10 berichten.

    Sowohl durch die Medien als auch von den Aktivisten und Unterstützern des betroffenen Mieters werden derzeit Unwahrheiten in unsere Wohnanlage transportiert.

    Gegen den Mieter liegt mittlerweile der dritte Räumungstitel vor. Nachdem wir bei den vorangegangenen Titeln die Möglichkeit gesehen haben, das Mietverhältnis fortzuführen - nach Ausgleich aller Verbindlichkeiten durch den Mieter - bestehen diesmal andere Voraussetzungen. So weist nicht nur das Mietekonto einen erheblichen 4-stelligen Saldo aus, es handelt sich zudem noch um einen desolaten Zustand der Wohnung - verursacht durch den Mieter.

    Gemäß Satzung, Genossenschaftsgesetz und Geschäftsordnung hat der Vorstand die Verpflichtung, Schaden von der Genossenschaft abzuwenden, deshalb kommt es am 26.01.2015 zur Räumung der Wohnung.

    Uns wird vorgeworfen, durch solche Maßnahmen eine Wohnungsnot zu verursachen. Dem treten wir entgegen mit dem Bau von 8 Wohnungen in diesem und 56 Wohnungen im vergangenen Jahr. Wir haben derzeit rund 250 Mitglieder, die noch nicht mit Wohnraum versorgt sind und beim Bauverein auf eine Wohnung warten.

    Man hat uns in einem Protestschreiben aufgefordert, innerhalb von 48 Stunden Maßnahmen zu ergreifen, um den Räumungstermin abzusagen. Sonst würde die Gruppierung mit vereinten Kräften alles in der Macht stehende tun, um uns entgegenzutreten. Dieses Schreiben war nicht namentlich unterzeichnet.

    Der Bauverein ist nicht erpressbar. Wir haben durch nunmehr mehrere Instanzen bestätigt ein Landgerichtsurteil vorliegen, welches am 26.01.2015 vollstreckt wird.

    Die Unannehmlichkeiten, die bis heute auf Sie zugekommen sind bzw. noch zukommen werden, bitten wir ausdrücklich zu entschuldigen."

    • @Hammer621:

      Getroffene Hunde bellen, sag ich mal. Und so diffamiert hier der Genossenschaftsvorstand ein eigenes Mitglieder, um von Kritik abzulenken.

       

      Komisch nur, dass die angeblichen Mietschulden KEIN Gegenstand des Kündigungsverfahrens waren - da ging es nämlich "nur" um verspätete Mietzahlungen.

       

      Der Bauverein will hier ganz offenbar jemanden deshalb rausschmeißen, weil er "zu anstrengend" geworden ist: Wehrt sich gegen Mieterhöhungen, fordert eine mieterInnenfreundlichere Politik, passt nicht ins Bild des "normalen Mieters".

       

      Wer sich in der Nachbarschaft umhört, erfährt so einiges über den Bauverein: Menschen "mit Migrationshintergrund" bekommen da gegenwärtig kaum eine Wohnung. Mietervereine können ein Lied von den Klagen gegen überzogene Mieterhöhungen singen. Und jetzt wird auch noch jemand auf die Straße gesetzt, bloß weil er mal verspätet seine Miete gezahlt hat.

       

      Schöner Bauverein, der mitten im Januar einen Mieter auf die Straße setzt. Zwangsräumungen gehören abgeschafft!

  • Ist wohl doch nicht Hafencity. Tja, wer lesen kann ist klar im Vorteil. Dennoch 4% ist eine ganze Menge Dividende.

    Ach ja und der Mietenspiegel. Da ist die Rechtslage ja bekanntermaßen sehr in Richtung Vermieter gerutscht.

    Sieht nicht gut aus...

  • 4 Prozent? Ordentliche Rendite.

    Ah ja, in der Hafencity haben die auch Immobilien : http://www.reiherstieg.de/uploads/media/BAUVEREIN_REIHERSTIEG_GB_2013_web.pdf

     

    Sieh an, sieh an.

     

    Hey @Hammer621. Ich will Ihre Zustimmung und auch Ihr Lob nicht. Geh'n Sie zu Pegida und loben da die AfD Leute.

     

    Dennoch -

     

    wenn man solchen business girls and boys von dieser eG Stress machen will, dann sollte man sich vorher eine Rechtsberatung holen. Ist doch klar, dass die das knallhart ausnutzen, wenn eine missliebige Mietpartei Stress macht. In der Sache mögen ja der Heiko samt Soli Menschen richtig liegen, aber in der Ausführung mangelhaft.

     

    Ich würde mich mit denen zusammensetzen, MhM dazu holen, zusammen mit Öffentlichkeitsarbeit könnte mensch das vielleicht noch hinbiegen.

     

    Viel Erfolg!

  • Hm Gentrifizierung ist ein Fakt, zugegeben. Zudem werden die meisten Baugenossenschaften in HH ihrem Namen alles andere als gerecht. Das neoliberale Paradigma hat bei vielen eG in den letzten 20 Jahren die Richtung bestimmt. Dass das der falsche Weg war und ist, bleibt unbestritten.

    Dennoch, bis es zur Vollsteckung einer Räumungsklage kommen kann, muss schon eine ganze Menge vorgefallen sein.

    • @Kevin Kosten:

      Den letzten Satz kann ich nur Fett unterstreichen. Von nichts kommt nichts. Wie sind denn die Fakten? "Mal zu spät gezahlt" ... Hatte Herr G. einen Rechtsanwalt? Was hat der ggf. Getan? Warum hat das Gericht so entschieden. Leider gibt der Artikel nicht mehr her.

  • Schöne Genossenschaft! Der offene Brief lässt sich übrigens auf der Seite der UnterstützerInnen nachlesen: www.solidarisch.org

  • Endlich greift die Genossenschaft durch. Jemand der wohl seit Jahren seine Miete verspätet oder gar nicht zahlt, ein bestehendes Vertragsverhältnis permanent missachtet, hat es nicht verdient Mitglied einer Genossenschaft zu bleiben. Herr Götz ist ein Sozialromantiker. In einer unserer Mitgliederversammlungen machte er den Vorschlag, dass alle Mitglieder zusätzlich in einen Fond einzahlen, aus dem die Miete für "bedūrftige" Genossen, sprich für ihn gezahlt werden sollten. Ich als Genosse bin nicht bereit, diese Lebensweise ( was macht der Herr eigentlich Beruflich?) zu unterstützen. Meiner Meinung nach erhalten wirklich bedūrftige Mieter Unterstützung vom Staat ( Hartz IV) und die Miete wird bezahlt. Zu guter Letzt möchte ich noch sagen, dass wir sehr gūnstige Mieten im Reiherstiegviertel an den Bauerverein zahlen,

    • @Hammer621:

      Die Behauptung, dass Herr Götz seine "Miete verspätet oder gar nicht zahlt" grenzt wohl an Verleumdung. Aus dem Artikel geht eindeutig hervor das alle Mietschulden beglichen sind!

      Empörend ist wohl eher eine Genossenschaft, die diejenigen MieterInnen schikaniert, die sich gegen Mieterhöhungen wehren - und auf der anderen Seite mit 4% Zinsen für Genossenschaftseinlagen um sich wirft.

      Die Höhe dieser Einlagen ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen so dass der Verdacht nahe liegt, dass die Mehrheit der GenossInnen die Zinsen der wenigen vermögenden Mitglieder erwirtschaften müssen!

      • @Paulpeter:

        So ein Quatsch. Die Gewinne werden von der Genossenschaft erwirtschaftet. Die Dividende von 4 Prozent wird an jeden Genossen anteilig nach seinen Genossenschaftanteilen ausgezahlt. Kein Genosse zählt für einen anderen die Dividende. Über die Höhe der Dividende entscheiden die Mitglieder selber und das ist auch gut so.

        • @Hammer621:

          Die "Genossen" verstehen ihren Bauverein wohl mittlerweile mehr als Immobilienfond.

          250 Mitglieder die gar nicht dort wohnen, sprechen wohl eine deutliche Sprache.

          Die Gründerväter würden sich im Grab umdrehen.