Betrunkene Soldaten in Afghanistan: Zwei Promille am Hindukusch
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan dürfen pro Tag nur zwei Dosen Bier kaufen. Trotzdem steigt die Zahl derer, die wegen Trunkenheit diszipliniert werden.
BERLIN taz | Trotz strikter Regeln betrinken sich Soldaten in den Bundeswehr-Lagern in Afghanistan immer häufiger. So wurden allein im größten afghanischen Bundeswehrcamp in Masar-i-Scharif 2013 gegen 32 Soldaten Disziplinarmaßnahmen wegen übermäßigen Alkoholkonsums verhängt. Im Vorjahr waren es dagegen nur 15 Fälle.
Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt. Darin erklärt die Bundesregierung, dass Fälle von Alkoholmissbrauch nicht unmittelbar statistisch erfasst werden, demnach nur über die Zahl der Disziplinarmaßnahmen mittelbar geschätzt werden können.
Ebenfalls unklar bleibt, wie viele Soldaten bisher aufgrund von Alkoholkonsum vorzeitig ihren Einsatz beenden mussten. Erst seit März 2013 wird dies erhoben. Bei 16 Soldaten wurde bis Ende November demnach „die besondere Auslandsverwendung (...) auf Grund von Alkoholmissbrauch vorzeitig beendet“, wie es in der Antwort heißt.
Dabei müsste es den Soldaten im Afghanistaneinsatz eigentlich unmöglich sein, sich hemmungslos zu betrinken. Denn es gilt die so genannte „Zwei-Dosen-Regelung“, wonach jeder Soldat pro Tag höchstens zwei Dosen Bier oder zwei Glas Wein „ausschließlich für den unmittelbaren Konsum“ kaufen dürfen.
Keine internationale Zusammenarbeit
Deutschland gilt bezüglich der Regeln zum Alkoholkonsum der Soldaten noch als besonders tolerant. Der Großteil der anderen Länder, die in Afghanistan Truppen stationiert haben, hat ein komplettes Alkoholverbot für die Soldaten verhängt. Dazu gehören etwa die USA, Kanada, Kroatien und Dänemark. In welchem Umfang Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz illegale Drogen konsumieren, konnte die Regierung nicht beantworten.
Die Linkspartei hatte die Anfrage zum Thema Alkohol- und Drogenkonsum gestellt, nachdem es im Juni zu mehreren Vorfällen im Zusammenhang mit Alkohol kam. So schoss Soldat im Camp in Masar-i-Scharif angetrunken um sich. Kurz zuvor erschoss sich dort ein Soldat mit zwei Promille im Blut selbst.
Trotz derartiger Fälle ergreift die Regierung kaum besondere Maßnahmen zur Rauschmittelprävention der Soldaten im Ausland. Mit Verweis auf „kulturelle Unterschiede“ erklärt sie zudem, dass keine Zusammenarbeit in dem Bereich mit anderen Ländern angestrebt wird. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundeswehr zu diesem Thema keine internationale Zusammenarbeit sucht, um aus den gegenseitigen Erfahrungen zu lernen“, sagte Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linkspartei im Bundestag, der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja