Betrug mit angeblicher Syrien-Hilfe: Abzocke statt Luftbrücke

Die vermeintliche Hilfsorganisation „Syria Air Rescue“ behauptet, Spenden zu sammeln, um Bedürftige auszufliegen. Doch sie existiert nicht.

Kinder auf dem Dach eines zerstörten Hochhauses in der syrischen Stadt Dschindires

Aleppo, Syrien: Das Leid in der Erdbebenregion nutzen auch Betrüger, um an Geld zu kommen Foto: Rami Alsayed/NurPhoto/imago

BERLIN taz | Eigentlich wollte er nur sein Englisch auffrischen, doch fast wäre der Mann, Nutzer einer bekannten Sprachlern-App, um 1.850 Euro abgezockt worden. Eine vermeintlich syrische Frau, die er beim Chatten auf Englisch kennengelernt hatte, erzählte, beide ihre Eltern seien tot. Zuletzt sei ihre Mutter dem Erdbeben zum Opfer gefallen, das im Februar die Türkei und Syrien heimsuchte.

Mehrere Tage lang chatten die beiden miteinander, auch über Privates wie Beziehungen oder Religion sprechen sie. Sie lebe in einem der vielen Geflüchtetenlager in Nordsyrien, erzählt sie. Als Vertrauen aufgebaut ist, bringt sie schließlich die angebliche Hilfsorganisation „Syria Air Rescue“ ins Spiel.

Das vermeintliche Angebot von „Syria Air Rescue“ ist verlockend pragmatisch: Wer Kontakte in Syrien hat und seinen Bekannten helfen möchte, das Land zu verlassen, finanziert deren individuelle Ausreise. Um den Bürokratiekram – Visum, Flug et cetera – kümmert sich angeblich „Syria Air Rescue“. Eine Art Luftbrücke, finanziert durch Spendenwillige im Ausland.

Auf den ersten Blick wirkt der Webauftritt von „Syria Air Rescue“ professionell. Fotos dokumentieren angebliche Hilfsaktionen der Organisation; Logos von Unicef und internationalen Medien, auch von der taz, schmücken die Seite. Ein Chat-Bot steht für Fragen zur Verfügung und wer sich offiziell registriert, bekommt eine persönlich verfasste Antwort per Email.

Doch die gesamte Aktion ist Betrug. So heißt es auf der Website, „Syria Air Rescue“ sei durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) gegründet worden, eine kurdisch dominierte Gruppe im quasi-autonomen Nordosten Syriens. Die politische Vertretung der dortigen Selbstverwaltung teilt auf taz-Anfrage jedoch mit: „Eine SDF-Hilfsorganisation namens ‚Syria Air Rescue‘ existiert nicht.“ Auch Unicef und andere als Partner geführte Organisationen geben an, „Syria Air Rescue“ nicht zu kennen.

Konto in der Türkei

Nach Recherchen der taz ist die Website von „Syria Air Rescue“ eine Kopie einer ukrainischen Hilfsorganisation, von der auch teilweise Fotos sowie sämtliche Partnerorganisationen kopiert worden sind. Die von den Betrügern angegebene Anschrift in der Türkei ist unvollständig. Die Kontonummer, die Betrugsopfern nach einem seriös wirkenden Anmeldeprozess per Email zugesandt wird, gehört zur türkischen Bank Fibabanka.

Tandem, die Sprachlern-App, über die Spendenwillige persönlich angeworben werden, teilte mit: „Für Tandem, wie für jedes soziale Netzwerk (…), sind Betrug und Scams angesichts des Wachstums und der Professionalität der Scammer und Betrüger eine große Herausforderung.“ Ein Team arbeite rund um die Uhr daran, die Sicherheit der Nut­ze­r*in­nen zu gewährleisten. „Syrian Air Rescue“ sei eine bekannte Betrugsart, „aber die spezifischen Taktiken und Themen, die verwendet werden, ändern sich häufig.“

Nach dem Erdbeben am 6. Februar in der Südtürkei und Nordsyrien lief die Nothilfe besonders in der syrischen Erdbebenregion nur schleppend an, weil die Regierung dort weder Zugang noch Interesse hatte zu helfen. Unter anderem in Deutschland gab es jedoch große Spendenbereitschaft. Zahlreiche seriöse Hilfsorganisationen sind weiterhin bemüht, den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen. Einen Überblick über Hilfsorganisation und deren Arbeitsweisen hat die Nahost-Website „Disorient“ erstellt.

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