Besuchssperren wegen Corona: „Bleib bloß weg, hat sie gesagt“

Wie gehen Angehörige und Bewohner:innen damit um, dass sie wegen der Corona-Pandemie ihre Lieben nicht sehen können? Fünf Protokolle von Betroffenen.

Eine ältere Frau geht in einem Senioren-Wohnstift durch einen Gang

Darf sie noch Besuch empfangen? Eine ältere Frau in einem Senioren-Wohnstift in Würzburg Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Bettina Peters besucht ihre Mutter normalerweise vier Mal pro Woche in einem Pflegeheim in Bremen-Schwachhausen. Als Heimfürsprecherin vertritt sie die Interessen der Menschen im Heim

Seitdem ich sie nicht mehr besuchen kann, telefoniere ich jeden Tag mit meiner Mutter. Die Heimleitung hat mich telefonisch über das Besuchsverbot informiert, das ich verstehe. Auf keinen Fall möchte ich das Virus in die Pflegeeinrichtung tragen.

Meine Mutter, die 78 ist, findet die Entscheidung ebenfalls richtig. „Bleib bloß weg“, hat sie gesagt. Für andere Menschen im Heim ist es jedoch teilweise nur schwer nachvollziehbar, was draußen passiert.

Wir sind alle verunsichert aufgrund der Situation und haben alle ein bisschen Angst. Ich bin dankbar, dass Politik und Heimleitung diese Maßnahmen ergriffen haben. Das Pflegepersonal ist sehr liebevoll und im Moment ist eine Einrichtung schließlich auch ein Ort, wo sich jemand um die Menschen kümmert. Ich finde es wichtig, Pflegeheime als Orte zu betrachten, wo Menschen gut aufgehoben sind, oft besser als bei sich zu Hause. Die alten Menschen, die jetzt isoliert zu Hause sind, vereinsamen total. Bei meinem Vater etwa kommt zwar noch der Pflegedienst, der ist aber nicht da, um Gesellschaft zu leisten, dafür fehlt die Zeit. Im Heim versucht man so gut wie möglich aufzufangen, was jetzt an Kontakt fehlt.

Bei mir hat sich bisher auch noch niemand gemeldet und sich über die Maßnahmen beschwert. Die Trauer, sich nicht mehr sehen zu können, ist natürlich trotzdem da. Aber wir müssen unsere Alten schützen, sie sind nun mal Risikogruppe.

Michaela Babitzke, besucht ihren Sohn normalerweise täglich in seiner Einrichtung in Bremen-Nord

Mein Sohn lebt in einem Heim für junge Erwachsene mit Schädel-Hirn-Trauma. Wir als Angehörige wurden schon vor zwei Wochen telefonisch über die Besuchssperre informiert, weil es einen Verdachtsfall gab, der sich allerdings nicht bestätigt hat. Am Anfang hielt ich das für übertrieben, das hat sich im Laufe der Zeit aber geändert. Es ist natürlich traurig und es fällt mir extrem schwer, dass ich meinen Sohn nicht sehen kann, andererseits möchte ich auch, dass er geschützt wird.

Normalerweise sehen wir uns täglich, das letzte Mal ist jetzt zwei Wochen her. Eigentlich haben wir ihn an einem Wochenendtag bei uns zu Hause, auch das geht nicht mehr.

Auch für das Pflegepersonal ist die Situation nicht leicht, einige Angehörige machen sich so große Sorgen, dass sie durch die Fenster schauen, da gibt es durchaus auch Misstrauen. Mein Sohn ist zwar aus dem Wachkoma raus, braucht aber wie die anderen Patienten jeden Tag Therapie und Mobilisierung. Auch diese Therapien sind aber nur noch sehr, sehr eingeschränkt möglich, obwohl gerade junge Menschen ganz besonders viel Input brauchen. Die Sozialpädagogin im Haus versucht da gerade, ein Programm aufzubauen.

Ich habe das Gefühl und bin froh darüber, dass man sich über die Lage Gedanken macht. Mein Sohn kann nicht sprechen, aber er bekommt viel mit, mithilfe eines Pflegers konnte ich zumindest am Telefon mit ihm reden. Wir sind gerade erst am Anfang, eine Kommunikation über Pupillenbewegungen am Computer aufzubauen. Das pausiert jetzt allerdings alles und es wird Rückschritte geben.

Gestern konnte ich meinen Sohn kurz sehen, eine Pflegerin hat seinen Rollstuhl vor eine Zwischentür geschoben. Es gibt Schilder, auf denen „Bis hierhin und nicht weiter“ steht. Das war für mich okay. Zwar war das eine Ausnahme, aber da mein Sohn nächste Woche Geburtstag hat, ist es dann hoffentlich wieder möglich, ihn zumindest auf diese Art zu sehen.

Jonas Korte, besucht seinen Vater normalerweise vier Mal pro Woche in einem Pflegeheim in der Bremer Neustadt

Schon das letzte Mal vor einer Woche waren Besuche bei meinem Vater nur noch eingeschränkt möglich. Es wurde darum gebeten, sie auf zwei Mal pro Woche und auf eine Kontaktperson einzuschränken. Das hatte ich auch für sinnvoll gehalten. Wegen der schnellen Veränderungen ist die Informationslage momentan etwas schwierig: Einen Tag, nachdem der Brief mit der Ankündigung der moderaten Einschränkungen kam, wollte ich meinen Vater noch einmal besuchen. Das war dann schon nicht mehr möglich und ich habe den Kuchen, den ich ihm mitgebracht hatte, dem Pflegepersonal übergeben. Das soll wohl auch weiterhin gehen.

Vor der Einrichtung stehen große Schilder, auf denen „Stopp, keine Besuche“ steht. Ich mache mir keine wahnsinnigen Sorgen, sondern gehe mit der Sache eher pragmatisch um, man kann an der Situation mit Corona derzeit nichts ändern. Eine andere Frage ist allerdings, wie das weitergehen soll. Irgendwann werden die Maßnahmen gelockert werden müssen und ich frage mich, ob es dann zu einer zweiten Welle kommt. Mit den geschlossenen Heimen ist die Lage relativ sicher, aber das Risiko erhöht sich wahrscheinlich, wenn die Pflegeheime die Tore wieder öffnen.

Ich versuche, meinen Vater momentan täglich anzurufen. Er ist 69 und durch seine Krankheit eingeschränkt, ist aber im Pflegeheim mobil und besitzt ein Handy. Es klappt allerdings nicht immer, ihn zu erreichen. Bisher sind die Telefonate eher oberflächlich, ich glaube aber, dass er mit der Situation momentan relativ gut zurechtkommt.

Sabine Albrecht, geht normalerweise wöchentlich mit ihrem Sohn schwimmen, der in einem Wohnheim für schwerstbehinderte Menschen in der Bremer Neustadt lebt

Gestern wurden mein Mann und ich angerufen und über die Besuchssperre informiert. Unser Sohn ist 36 Jahre alt und lebt seit 17 Jahren in einem Wohnheim mit 25 schwerstbehinderten Menschen. Das letzte Mal habe ich ihn vor einer Woche gesehen, als wir wie jeden Freitag mit ihm schwimmen gegangen sind. Wie viele im Wohnheim, sitzt er im Rollstuhl, als Gehörloser ist er noch einmal besonders eingeschränkt, weil die körperliche Zuwendung dann besonders fehlt und es auch keine Möglichkeiten gibt, zu telefonieren.

Es fällt uns schwer, ihn jetzt nicht mehr sehen zu können. Die Einrichtung hat allerdings angeboten, dass Angehörige mit den Menschen im Rollstuhl spazieren gehen können, wenn sie die Abstandsregeln einhalten. Das ist natürlich erst mal gut, allerdings halte ich es bei schwerbehinderten Menschen für schwer umsetzbar, wirklich nur hinter dem Rollstuhl zu bleiben.

Meine anderen Kinder sind außerdem strikt dagegen, dass wir Eltern das machen, da wir ebenfalls zur Risikogruppe gehören. Das Virus macht uns durchaus Angst. Wir hatten auch überlegt, unseren Sohn zu uns nach Hause zu holen, aber auch das ist keine Lösung, weil wir das körperlich über einen längeren Zeitraum schlicht nicht können. Unsere beiden anderen Kinder kümmern sich auch und können jetzt also mit ihrem Bruder spazieren gehen, dieses Glück haben nicht alle.

Herwarth Poppe, bekommt normalerweise regelmäßig Besuch in seinem Pflegeheim in Bremen Horn, wo er Vorsitzender des Bewohnerbeirats ist

Seit gestern sind auch hier die Besuche gesperrt worden. Ich kann das gutheißen, denn wir sehen ja, wie es in Italien aussieht und ich glaube, dass wir den Ausgangssperren auf diese Weise aus dem Weg gehen könnten. Ich bin nicht immer der Meinung der Bundeskanzlerin, diesmal stimme ich aber voll und ganz mit ihr überein. Ich habe viele Kontakte, aber es ist nicht so, als ob ich von der Menge von Besuchen abhängig wäre. Man kann schließlich telefonieren und ich fühle mich außer dem Essen hier ganz wohl.

Natürlich gibt es Leute, die das Besuchsverbot bejammern und mit denen ich deswegen auch diskutiert habe. Auch ich habe Kinder, die gerne kommen würden, aber wir sollten uns jetzt so diszipliniert verhalten, dass wir einer Ansteckung aus dem Weg gehen. Das fällt mir durchaus nicht leicht, aber ich habe mich in meinem Leben schon auf viele Situationen einstellen müssen. Ich bin 84 und hab noch das Ende des zweiten Weltkriegs mitgekriegt. Es ist, wie es ist.

Weil die Risikogruppen geschützt werden sollen, gibt es mittlerweile auch in Pflegeheimen und Wohneinrichtungen eine Besuchssperre. Mehr darüber, was das für die Betroffenen und Pflegeinrichtungen bedeutet, lesen Sie in der Wochenendausgabe der taz nord und in unserem e-Kiosk.

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