Besuch der Außenministerin in Kiew: Baerbocks Botschaft

Mit der Außenministerin ist das erste deutsche Regierungsmitglied in die Ukraine gereist. Ein Symbol? Ja. Aber ein wichtiges.

Wolodomir Selenski und Annalena Baerbock geben einander die Hand

Vertrauensbildende Maßnahme: Präsident Selenski und Ministerin Baerbock am Dienstag in Kiew Foto: Florian Gärtner/photothek/dpa

Das wäre also endlich geschafft: Zum ersten Mal nach knapp drei Monaten, nach der Kiewreise von Olaf Scholz am 14. Februar, hat ein deutsches Regierungsmitglied die Ukraine besucht. Sehr lange zwölf Wochen lagen dazwischen: ein Kriegsausbruch, Tausende Tote, mehrere Kehrtwenden der deutschen Politik und ein unwürdiges Hin und Her um diplomatische Einladungen, undiplomatische Ausladungen und Reiseunlust in Berlin. Gut, dass dieser Streit jetzt beigelegt ist und Annalena Baer­bock am Dienstag in der Ukraine war.

Ja, solche Reisen sind Symbolpolitik. Ihre Strahlkraft hat sich auch abgenutzt, nachdem schon etliche andere Delegationen nach Kiew gereist waren und sogar Gregor Gysi und U2 der Bundesregierung zuvorgekommen sind. Trotzdem geht von den Bildern und Sätzen der deutschen Außenministerin in Butscha eine wichtige Botschaft aus: Es berührt uns, was euch widerfährt. Euer Leid interessiert uns, es geht uns etwas an.

Daran gab es in den drei Monaten vor dem Baerbock-Besuch Zweifel, unter anderem, weil die Bundesregierung auf der praktischen Seite viel weniger tut, als zur Unterstützung der Ukraine möglich wäre. Sie liefert bei Weitem nicht alle Waffen, die sich Kiew wünscht. Sie lehnt es ab, sofort ein umfassendes Energieembargo zu verhängen. Und auch beim Einfrieren russischer Oligarchenvermögen hinkt sie hinter anderen EU-Staaten her. Dafür gibt es im Einzelnen gute Gründe und Erklärungen; in der Summe verwundert es aber nicht, dass der Eindruck der Gleichgültigkeit entstanden ist – zumal in der deutschen Debatte ja tatsächlich immer wieder eine Geringschätzung für die Ukraine mitschwingt.

Reisen wie die von Baerbock, wahrscheinlich auch bald von Scholz, können helfen, den Eindruck zu korrigieren, und das auf sehr günstige Art und Weise: Kein großer Aufwand, wenig Kosten sind mit ihnen verbunden. Sie gefährden weder die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr noch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie und provozieren auch keinen dritten Weltkrieg, mit etwas Glück noch nicht mal einen offenen Brief. Es wäre Verschwendung gewesen, auf dieses Mittel der Politik noch länger zu verzichten.

Auch wenn – und das gehört mit zur Wahrheit – selbst die sinnvollste Symbolpolitik am Ende symbolisch bleibt. In Sachen EU-Beitritt hat Baerbock die Ukraine in Kiew vertröstet, in Bezug auf Waffen und Embargo verkündete sie nichts Neues. Am stärksten klang noch ihr Versprechen, die Täter von Butscha zur Verantwortung zu ziehen. Aber auch das hat einen großen Haken: Solange die Verantwortlichen in Moskau regieren, hat der Westen an dieser Stelle wenig Mittel in der Hand.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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