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Beständig auf der Suche nach „Bimbes“

Bevor Helmut Kohl die Ost-CDU mit Schwarzgeld stützte, hat er sich im Oktober 1990 schon mal aus deren Parteivermögen bedient

Die Ost-CDU stellte sich quer. De Maizière war nicht bereit, das Neuvermögen kampflos an die Bundespartei abzutreten

Wenn es um Geld ging, hat Helmut Kohl stets verniedlichend von „Bimbes“ gesprochen. Bei der Suche nach neuen Finanzquellen für seine Partei war der ehemalige CDU-Vorsitzende ähnlich erfinderisch. Er jonglierte nicht nur mit „dunklen Konten“ und verdeckten Spendengeldern. Um die klamme Partei aus den roten Zahlen zu holen, wollte sich der Kanzler der Einheit nach der Wende kurzerhand auch die Gelder der einstigen Ost-Parteien einverleiben.

Noch 1989 hatte die Union mit 42 Millionen Mark in der Kreide gestanden. Doch mit der Einheit kam der Aufschwung für die Christdemokraten: Im September 1990 war die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) der Ost-CDU beigetreten – im Gepäck sämtliche Konten und Immobilien aus DDR-Zeiten. Beim Schulterschluss mit den Brüdern und Schwestern im Westen flossen auf diese Weise im Oktober 1990 rund 26 Millionen Mark Ost-Gelder in die Kassen der CDU.

Lange Zeit stand die Kohl-Partei im Verdacht, sich der Millionen unrechtmäßig bedient zu haben. Sämtliches Eigentum sollte laut Einigungsvertrag eigentlich der Treuhandanstalt übertragen werden. Nur so weit Vermögen „nachweislich nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes“ erworben worden war, konnte es den Parteien „nach intensiver Prüfung wieder zur Verfügung gestellt“ werden. Eine „Unabhängige Kommission Parteivermögen“ sollte klären, ob die CDU die Ost-Gelder nach der Wende übernehmen durfte. Doch die Partei blockierte die Arbeit der Kommission: Auf dem Weg ins Parteiarchiv verschwanden wichtige Akten über die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD), und auch das übrige Material wollten die Kohl-Mannen nicht herausrücken.

Erst im August 1996 konnte die Kommission daher ihren Abschlussbericht vorlegen. Fazit: „Ansprüche gegen die CDU auf Rückzahlung von Altvermögen bestehen nicht.“ Die acht Millionen Mark aus der Vorwendezeit waren schlicht nicht mehr da – ausgegeben für Abfindungen und Rentenansprüche der Mitarbeiter. „Zulässige Tilgung von Altlasten“ konstatierte die Kommission.

Der größte Batzen des „Erbes“ unterlag dagegen gar nicht treuhänderischer Verwaltung: Neuvermögen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Wahlkampfkostenerstattung, die die Ost-CDU nach dem 7. Oktober 1989 erhalten hatte – satte 17 Millionen Mark.

„Für dieses Geld bestand kein Genehmigungsvorbehalt“, bestätigte ein Kommissionsmitglied. Das heißt: Die Kohl-Partei konnte über das Geld frei verfügen.

Allein, die Ost-CDU stellte sich quer. Kohls Stellvertreter Lothar de Maizière war nicht bereit, das Neuvermögen kampflos an die Bundespartei abzutreten. Mit dem Vorwurf, das Geld gehöre der Ost-CDU, zog er sich den Zorn des Parteivorsitzenden zu. „Über Geld redet man eben nicht“, sagt einer, der es wissen muss. Vor allem Kohls Vertrauter Hans Terlinden, damaliger Verwaltungschef der Bundesgeschäftsstelle und seit kurzem arbeitslos, habe es auf die Millionen abgesehen gehabt: „Der saß damals auf dem Geld drauf.“ Folge: „dramatischer Streit“ im Bundesvorstand.

Doch da waren schon vollendete Tatsachen geschaffen: Die Ost-CDU hatte längst Rücklagen gebildet. Mit dem Geld wollte sie Abfindungen begleichen, die in Sozialplänen festgelegt waren. Der Rest gelangte per Überweisung an die Landesverbände in den neuen Bundesländern. Damit finanzierten diese die technische Ausstattung ihrer Geschäftsstellen.

Im Herbst 1991 legte de Maizière alle Parteiämter nieder. Bonner CDUler machten ihn als Vertreter der alten Blockflötenpartei für Modernisierungsdefizite in der Ost-CDU verantwortlich – wohl nicht zuletzt auf Betreiben Kohls.

Nicole Maschler, Berlin

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