Beschwerde der Umwelthilfe abgelehnt: Klimapolitik ohne Karlsruhe
Die Deutsche Umwelthilfe wollte weiter Druck auf die Bundespolitik machen. Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage ohne Begründung ab.
Im Frühjahr 2021 war das Bundesverfassungsgericht noch der Champion der Klima-Bewegung. Damals ließ das Gericht überraschend klimapolitische Verfassungsbeschwerden zu, obwohl keine „gegenwärtige“ Gefährdung von Grundrechten vorlag. Die Richter:innen argumentierten, dass in Zukunft massive Eingriffe in Freiheitsrechte drohen, wenn nicht rechtzeitig klimapolitisch umgesteuert wird.
Konkret verlangte das BVerfG damals vom Bundestag zwar nur, frühzeitig Ziele für die CO2-Reduktion ab 2030 festzulegen. Aber es erklärte den Klimaschutz zugleich zum Staatsziel, das durch das 1.5/2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens konkretisiert werde.
Im Januar koordinierte die DUH eine neue Verfassungsbeschwerde von neun jungen Leuten aus dem Umfeld von Fridays for Future. Das Verfassungsgericht solle feststellen, dass die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes im August 2021 nicht den Anforderungen des Grundgesetzes genüge. Die Neuregelung führe nur zu einer Senkung der Emissionsmenge um 6,5 Prozent bis 2030.
Die Klage stützte sich auch auf einen neuen, den sechsten, Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, wonach sich der Klimawandel „schneller und folgenschwerer“ vollzieht als bislang angenommen. Die Argumentation der DUH wurde auf 162 Seiten ausgeführt.
Kläger wollen nach Straßburg
Das Bundesverfassungsgericht reagierte schnell, aber nicht so wie erwünscht. Die Verfassungsbeschwerde wurde ohne jede juristische Begründung nicht zur Entscheidung angenommen. Dies ist in Karlsruhe zwar zulässig, um das Gericht zu entlasten. Bei Klagen von dieser Bedeutung dürfte es aber doch unüblich sein. (Az.: 1 BvR 188/12)
Schon im Februar war eine andere von der DUH initiierte Verfassungsbeschwerde nicht angenommen worden. Damals stellte Karlsruhe fest, dass Bürger nicht gegen die Klimapolitik einzelner Bundesländer klagen können, weil es nur auf Bundesebene ein CO2-Budget gibt. Diese Ablehnung war immerhin noch auf 12 Seiten begründet worden.
Remo Klinger zeigte sich bei der Tagung in Hamburg desillusioniert. „In Karlsruhe ist erstmal Schluss“, mit weiteren bahnbrechenden Klima-Beschlüssen rechne er vorerst nicht.
Die DUH erklärte auf Anfrage, dass die neun jungen Leute nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Protest gegen Kies- und Sandabbau
Der neue Kampf gegen Gruben