Berufsbilder und Gender: Irgendwas mit freundlich
Lächeln, aufräumen, verbinden: Frauen sind einfach die Besten, wenn es darum geht, das Aufregende und Gefährliche im Leben von Männern zu beruhigen.

Eine Dr. Oetker-Backpulverwerbung aus den 1950ern: „Sie wissen ja“, erklärt die Männerstimme aus dem Off, während eine „Renate“ am Herd steht und versonnen im Puddingtopf rührt, „eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen, und was soll ich kochen?“ Dabei ist es nicht so, als habe „Renate“ im Werbespot gar nichts zu melden, sie bekommt sogar eine eigene Zeile: „Das Allerwichtigste für ihn ist der Pudding.“ Für den braucht man Puddingpulver – ebenso wie jenes Backpulver für den Kuchen. Denn, so heißt es weiter aus dem Off, „Kuchen macht uns Männer sanft und verträglich“.
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Zum feministischen Kampftag am 8. März wird die wochentaz zur Frauentaz. Auf 52 Seiten blicken wir auf das gesamte Leben einer Frau – von der Geburt bis zum Tod. Auf taz.de widmen wir uns dem Thema ganze drei Tage.
Heute ist vieles anders. Was man anziehen soll, wissen Influencerinnen. Und kochen oder backen muss man auch nicht mehr, stattdessen transportieren schlechtbezahlte Fahrradkuriere den Pudding und den Kuchen durch die SUV-Abgase direkt bis zum Mann. Das allerdings kann länger dauern. Kein Wunder, dass es unter den herrschenden Bedingungen zuweilen vorbei ist mit der sanften Verträglichkeit: Rasend vor Hunger (sic), steuern Männer ihren SUV in einen Fahrradkurier. Oder eine Kurierin.
Dabei bräuchten Männer sich eigentlich gar nicht aufzuregen. Denn auch jene jungen Frauen, die sich gegen die Hausfrauenkarriere entscheiden, nutzen durchaus noch die Möglichkeit, Männer zu Diensten zu sein, sie zu umsorgen, um Wutausbrüche zu vermeiden.
Zum Beispiel als Büromanagerin (früher sagte man Chefsekretärin), seit Jahrzehnten auf Platz 1 der Liste weiblicher Lieblingsberufe oder als medizinische Fachangestellte (Platz 2). Frauen, so zeigen es aktuelle Statistiken immer wieder, können nach wie vor gut aufräumen, pflegen – und beruhigen, was Männer sich in ihrem Leben als Kraftfahrzeugmechatroniker, Fachinformatiker oder Heizungsmechaniker (Top 3 der männlichen Lieblingsberufe) alles Gefährliches und Aufregendes zugemutet haben.
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Während der Kraftfahrzeugmechatroniker also den Stadtgeländewagen repariert hat, der nach dem Zusammenstoß mit dem Fahrradkurier glücklicherweise nur minimal verbeult ist, ordnet die Büromanagerin ihrem Autowerkchef die Dateien, und legt ihm dabei vorausschauend die neuesten Kataloge über Modelle mit noch sportlicherer Fahrdynamik auf den Schreibtisch, gleich neben die Tasse mit dem frisch gebrühten Kaffee.
Und falls der Fahrradkurier überlebt, und nur seine obere Zahnleiste verloren hat, könnte ihm die zahnmedizinische Fachangestellte behutsam dieses komische, grüne Abformsilikon in den Mund drücken. Männer schießen, Frauen verbinden – das alte Muster aus dem Bereich der fiktionalen Erzählung hat nichts von seiner empirisch beobachtbaren Gültigkeit verloren.
Natürlich machen sich moderne Frauen auch gut in der Hotelbranche, oder als Verkäuferinnen – mit anderen Worten: überall dort, wo man freundlich sein muss. „IMM“, lautet der berufliche Fachbegriff dazu, „irgendwas mit Menschen“, seit einiger Zeit steht das zwar auch für „irgendwas mit Medien“, aber Sorgen muss man sich keine machen: Selbst bei den bevorzugten Medienberufen bleiben Frauen in der Kommunikationsebene, lernen also zum Beispiel das Image jenes Autowerks, das die Modelle mit der noch sportlicheren Fahrdynamik herstellt, freundlich zu kommunizieren. Oder als PR-Agentin einen berühmten, aber cholerischen und unberechenbaren Mann zu betreuen (da kommen dann alle Fähigkeiten zusammen).
Denn Frauen lächeln einfach am besten. Das beweist eine Stichprobe bei Google: Gibt man „hübsches Lächeln“ ein, wird man mit Bildern von jungen blonden Frauen überhäuft, die ihre weißen Zähne zeigen (selbstverständlich liebevoll und für wenig Geld gebleacht von der zahnmedizinischen Fachangestellten).
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taz talk zum Frauentag 2025

Live am 7.3.25 ab 19 Uhr
Und Frauen können nicht nur dafür sorgen, dass sie selbst gut aussehen (siehe „Was soll ich anziehen?“), andere aufhübschen können sie auch: Friseurin befindet sich weiterhin in den Top Ten der meist gewählten Ausbildungsberufe. Allerdings werden Frauen keine „Star-Friseure“– dieses Privileg ist weiterhin Männern vorbehalten. Denn das ultimative Urteil darüber, was bei einer Frau gut aussieht und was nicht, ist und bleibt ein Männerprivileg.
Wo kämen wir denn bitte sonst hin.
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