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Beruf und GesundheitKarriere einfach verweigern?

Wir sollten anfangen, für gesunde Karrieren zu kämpfen. Wenn wir uns verweigern, bleibt die Macht bei weißen Männern.

Karriere oder Privatleben? Warum nicht beides? Foto: William Perugini/imago

V or mehr als anderthalb Jahren habe ich einen Text gelesen, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung fragte sich die Journalistin Teresa Bücker, ob es radikal sei, keine Karriere machen zu wollen. „Solange wir uns nicht dagegen wehren, was schon ein normaler Job und erst recht eine Karriere von Menschen verlangen, wird es eine Work-Life-Balance, die ihren Namen verdient, nicht geben“, schrieb Bücker.

Für mich kam dieser Text zur richtigen Zeit. Ich hatte anderthalb Jahre Journalistenschule hinter mir, in der uns am Anfang prophezeit wurde, dass unsere Liebesbeziehungen sehr wahrscheinlich zerbrechen würden, weil die Ausbildung hier so anstrengend werde.

Danach arbeitete ich neun Monate in meinem ersten Job als Redakteurin und verließ ihn mit dem Gefühl, eine gute Erfahrung gemacht zu haben, aber nicht an dem Ort gelandet zu sein, an dem ich bleiben wollte. Also schrieb ich erstmal meine Masterarbeit und dachte darüber nach, wie ich leben und arbeiten möchte.

Teresa Bücker brachte viele meiner Gedankenfetzen auf den Punkt: „Karriere sollte auch dann möglich sein, wenn wir Erfüllung in mehr als unserem Beruf finden, und sie sollte einschließen, dass währenddessen die Beziehungen intakt bleiben, wir neue Beziehungen aufbauen können und die Gesundheit nicht leidet.“ Sie kam zu dem Schluss: „Ohne Karriereverweigerung kommen wir da wohl nicht hin.“ Damals fand ich das einen super Satz. Das würde ich machen: Karriere einfach verweigern.

Vor wenigen Wochen erschien dann bei Edition F ein Text von Thuy-An Nguyen unter der Überschrift: „Warum ich das Konzept Karriere aus meinem Leben gestrichen habe“. Ich erinnerte mich an damals, finde die Entscheidung der Autorin konsequent und realisierte trotzdem, dass ich für mich zu einem anderen Schluss gekommen bin.

Ich arbeite heute selbstständig und habe in Projekten erste Führungsaufgaben übernommen. Ich mag meinen Job und könnte mir vorstellen, irgendwann mehr Verantwortung zu tragen. Niemals würde ich dafür alles andere in meinem Leben opfern, meine Hobbys, meine Freun­d:in­nen und Familie, meine Gesundheit.

Aber statt Karriereverweigerung sollten wir lieber für gesunde Karrieren kämpfen. Wenn wir uns verweigern, dann bleibt die Macht bei denen, die das Spiel mitspielen. Bei denen, die diese Dinge aus ihren Leben schneiden können, auch, weil jemand anderes die Carearbeit macht. Natürlich wären das sehr oft weiße Männer aus privilegierten Verhältnissen. Und das wäre schade, denn solange unsere Wirtschaft organisiert ist, wie sie organisiert ist, können Che­f:in­nen nun mal viel vorgeben und entscheiden.

Eine Freundin von mir wird bald Chefredakteurin. Arbeiten wird sie vier Tage die Woche. Das geht. Dafür müssen sich die Che­f:in­nen eingestehen, dass sie nicht unersetzlich sind.

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Susan Djahangard
Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Irgendwie ist der ganze Artikel symptomatisch für die Situation in Berlin. Der Wille und die Bereitschaft zur Leistungserbringung und zur Übernahme von Verantwortung ist hier einfach zu gering.

    Und wenn der Output dann als zu gering eingestuft wird, dann kommt der Ruf zur Umverteilung.

    Wäre doch mal spannend, wenn sich eine bestimmte Anzahl von Personen wissenschaftlich begleitet einer Karriere verweigern sollte. Ich wette, dass hiervon auch sehr viele Frauen profitieren würden.

    Niemand ist gezwungen, eine Beziehung für die Karriere zu opfern, man sollte sich jedoch einen Partner aussuchen, der zur Karriere passt.

  • @BUNTE KUH Würden Sie das auch Lehrern, Ärzten, Pflegern, Polizisten, Rettungskräften, Therapeuten usw. sagen: auf keinen Fall einen Handschlag zu viel tun? Würden Sie das vom Lehrer Ihrer Kinder oder den Pflegern Ihres Elternteils im Pflegeheim auch erhoffen?

    • @BlauerMond:

      Ich glaube, „Kartiere machen“ und „[]einen Handschlag zu viel tun“ sollten Sie nicht synonym verwenden. Viel arbeiten kann der Mensch besser ohne Karriere. Mit Kartiere darf er nur mehr Arbeit anweisen. Mit der Konsequenz, dass sich die Adressaten der Anweisung manchmal verweigern, weil sie den Sinn nicht erfassen (was selten am fehlenden Verstand oder an der fehlenden Bildung des Befehlsempfängers liegt und oft daran, dass der Kommandeur nicht (mehr) genug Ahnung von der Praxis hat).

      Merke: Wenn ein Karrierist viel Staub aufwirbelt, bedeutet das noch lange nicht, dass hinterher ein Schloss steht, wo vorher eine Wolke war. Arbeiten und Arbeit simulieren sind immer noch zweierlei.

  • kämpfen sie nur, fr. djahangard. und geben uns dann bescheid, welch tolle karriere sie mit ihre viertagewoche gemacht haben

    "karriere machen" heißt, führungsverantwortung wahrnehmen - also andere organisieren und überwachen. das muß man mögen - ich mochte lieber meine arbeit, das, was ich (aus interesse) gelernt habe, und habe daher den karrieresprung verweigert, obwohl er mir angeboten wurde. anders gesagt: ich hätte das mit führen statt selber arbeiten nicht gern gemacht, und dann bestimmt auch nicht gut

    ich lebe auch ohne karriere sehr gut, werde für meine arbeit geschätzt und habe eine gar nicht so schlechte work-life-balance. liegt das wirklich nur daran, daß ich ein alter weißer mann bin?

  • "Arbeit" ist was, was zwischen Arbeitsbeginn und Feierabend stattfindet. Man sollte in dieser Zeit nur tun, was unbedingt notwendig ist und keinen Handschlag mehr. Die Hoffnung, in einer "höheren Position" ein komfortableres Arbeitsleben zu ghaben, trügt in der Regel. Oft wird dann alles nur noch schlimmer, z.B. mit Überstunden und Stress usw.