Berlusconis politisches Comeback: Intrigen in Italien
Dank eines Dekrets von Regierungschef Renzi: Der frühere Premier Berlusconi könnte bald rehabilitiert sein und bei den Wahlen antreten.
ROM taz | Italiens ehemaliger Regierungschef Silvio Berlusconi ist vorbestraft – doch bald könnte er wieder mit blütenweißer Weste dastehen und deshalb auch bei den nächsten Parlamentswahlen erneut antreten. Seine juristisch-politische Rehabilitierung hätte er niemand anderem als Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zu verdanken.
An Heiligabend trat Renzis Kabinett zusammen, um auf die Schnelle – und wohl auch dank des Weihnachtstrubels unbemerkt – die Durchführungsverordnungen für die Neufassung von Finanz- und Steuerdelikten zu beschließen. In den Verordnungen fand sich ein Weihnachtsgeschenk für Berlusconi: In Zukunft soll Steuerbetrug nur noch strafrechtlich verfolgt werden, wenn die hinterzogene Summe mehr als drei Prozent des Firmenumsatzes beträgt. Die Norm gilt aber nach italienischer Rechtsprechung auch für die Vergangenheit – Angeklagte und in letzter Instanz Verurteilte haben das Recht, nach der neuen Norm beurteilt zu werden, wenn diese für sie günstiger ist.
Das ist fein für Berlusconi: Er war im August 2013 wegen Steuerbetrug zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Davon musste er wegen eines allgemeinen Strafnachlasses zwar nur ein Jahr abbüßen – mit Sozialstunden, einmal wöchentlich nachmittags mit Alzheimer-Kranken in einem Alten-Hospiz. Weit härter traf ihn die Tatsache, dass er aufgrund der Vorstrafe seinen Sitz im Senat einbüßte – und dass er auf sechs Jahre nicht mehr bei Wahlen antreten kann.
Doch die hinterzogene Summe betrug „nur“ knapp acht Millionen Euro in zwei Jahren, jeweils 1,2 und 0,7 Prozent des Umsatzes seiner TV-Holding Mediaset, wie Experten ausrechneten. Hunderte weitere hinterzogene Millionen waren wegen Verjährung unter den Tisch gefallen – auch, weil Berlusconi in seiner Zeit als Regierungschef die Verjährungsfristen verkürzt hatte.
Pakt zwischen Renzi und Berlusconi
Mit Renzis neuem Dekret könnte jedoch das Urteil gegen Berlusconi aus dem Jahr 2013 komplett kippen – und damit auch das Verbot, bei den nächsten Wahlen wieder anzutreten. Es ist kein Geheimnis, dass der von der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) kommende junge Regierungschef gut kann mit dem alten Frontmann der Rechten.
Im Februar 2014 hatte Renzi einen Pakt mit Berlusconi geschlossen. Die beiden vereinbarten, bei der Wahlrechts- und Verfassungsreform im Parlament zusammenzuarbeiten. Renzi bestritt jedoch stets, jener Pakt enthalte weitere Klauseln. Eben dieser Verdacht drängt sich jetzt jedoch auf, und er wird verstärkt durch den Umstand, dass die für Berlusconi strafbefreiende Norm offenbar in letzter Minute im Amt des Ministerpräsidenten in die Durchführungsverordnung hineingeschmuggelt worden war.
Zwar ruderte der Regierungschef erst einmal zurück. Das Dekret soll erst am 20. Februar endgültig verabschiedet werden, „wenn Berlusconi seine Strafe bis zum letzten Tag verbüßt hat“, wie Renzi erklärte. Zudem stellte er in Aussicht, die Schwelle für die Strafbefreiung könne auf eine Steuerhinterziehung von 1,5 Prozent des Umsatzes gesenkt werden. Damit aber wäre Berlusconi immer noch aus dem Schneider.
Der Aufschub bis zum 20. Februar könnte sich zugleich auf einem weiteren Feld als segensreich für Renzi erweisen. Angesichts des für Mitte Januar erwarteten Rücktritts von Präsident Giorgio Napolitano werden die beiden Kammern des Parlaments voraussichtlich in der ersten Februarhälfte den Nachfolger Napolitanos wählen müssen. Und Renzi hätte eine schöne Waffe, um sich das Wohlverhalten Berlusconis zu erkaufen – der hoffen kann, dann das verspätete Weihnachtsgeschenk seiner völligen Rehabilitierung zu erhalten, wenn er sich Renzi gegenüber brav verhält.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen