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Berlins Nachtleben und CoronaTanzbar ist das nicht

Weil Clubs wegen Corona nicht öffnen dürfen, verwandeln sich einige in Restaurants und Biergärten. Ein Streifzug durch das neue Berliner Nachtleben.

Corona-Nightlife in der Wilden Renate Foto: Sebastian Wells

Eine Tour durch Berliner Clubs bedarf derzeit ganz anderer Vorbereitungsrituale als sonst. Vorgeglüht wird mit einem Nachmittagskaffee, damit man dann spätestens zur Abendbrotzeit langsam im Laden seiner Wahl eintrudelt – um 22 Uhr ist ja schon wieder Schluss. Gegessen wird vorher nichts, denn Dinner wird jetzt in den Clubs serviert. Und die Drogen kann man sowieso getrost zu Hause lassen.

Seit gut zwei Wochen haben Berliner Clubs – zumindest jene, die über Freiflächen verfügen – teilweise wieder geöffnet. Öffnen dürfen sie aber nur als Biergärten und Gaststätten: Die Dancefloors bleiben geschlossen, auch in den Außenbereichen.

Die Wilde Renate in Alt-Stralau hat sich dementsprechend von einem Ort, der nicht zuletzt für ausschweifende, sexpositive Partys bekannt ist, in einen verwunschenen, mit Efeu überwucherten Garten mit hohen Bäumen verwandelt. Ein Springbrunnen plätschert vor sich hin, in einer Ecke steht ein verrosteter Trabi. Es gibt eine Feuerstätte, an der man sich in etwas frischeren Abendstunden versammelt. Gäste hocken in Booten, die als Sitzgelegenheiten dienen, es läuft entspannter Soul. Zu speisen gibt es venezolanische Arepas, also gefüllte Maisfladen.

Tomtom, Mitarbeiter der Wilden Renate, setzt sich in den kleinen Pavillon des Gartens, an dessen Decke ein Kronleuchter hängt: „Uns ist sehr bewusst, dass besonders Clubs im Fokus stehen, deswegen achten wir recht penibel auf die Einhaltung der Hygieneregeln.“ Dazu gehört auch eine Maskenpflicht im Eingangsbereich, auf dem Sitzplatz geht es dann auch ohne. „Die Leute haben das Konzept gut angenommen“ sagt er und fügt dann noch ein „überraschend gut“ hinzu. Er glaubt: „Die meisten Besucher sind einfach froh, wieder ausgehen zu können.“

Lockerungen für Kneipen, Kinos, Hallensport

Kneipen und Bars dürfen seit Dienstag wieder öffnen. Allerdings nur solche, in denen Gäste an Tischen Platz nehmen und auch nur bis 23 Uhr. Auch Spielhallen und Wettbüros können wieder loslegen, genau wie Fitnessstudios und Tanzschulen. Bei Sportveranstaltungen, Messen oder kulturellen Events sind im Freien bis zu 200 Teilnehmer, in geschlossenen Räumen maximal 150 erlaubt. Hallensport ist in Gruppen von zwölf Personen wieder möglich.

Filmvorführungen sind unter freiem Himmel wieder gestattet. Kinos dürfen dann ab dem 30. Juni wieder aufmachen.

Bei Gottesdiensten sind ab sofort bis zu 200 Teilnehmer erlaubt, bisher waren es 50. Im Freien gilt keine Obergrenze. (dpa)

Für maximal 140 Personen gebe es aufgrund der Abstandsregelungen Platz im Garten, so Tomtom, gelegentlich lege für diese auch mal ein DJ auf, aber „eher gemäßigte Töne“. Loungemusik statt Partymucke eben.

Drei junge Frauen haben es sich gerade an einem der Tische bequem gemacht und Bier bestellt. Warum seid ihr hier? Einfach nur um den schönen Tag zu genießen, lautet die Antwort. Zwei Gäste, die in einem der Boote sitzen und nur mit Vornamen in der Zeitung erscheinen wollen, werden da schon konkreter. Sie seien bewusst hier, um ihre Solidarität mit diesem Ort auszudrücken. Andrea betont, dass die Wilde Renate eben auch ein wichtiger Platz für die queere Szene in Berlin sei, „ein Schutzraum“, den sie unterstützen möchte. Ben sagt, er habe sein Atelier um die Ecke, der Club sei eine Art zweites Zuhause für ihn. Er habe erst gerade wieder zehn Euro Trinkgeld gegeben – nicht, weil er nicht wisse, wohin mit seinem ganzen Geld, sondern weil er in der Krise helfen möchte.

Weiter geht es zum Sisyphos an der Rummelsburger Bucht, das von Club- auf Restaurantbetrieb umgestellt hat. Am Eingang herrscht geschäftiges Treiben. Jeweils Zweiergruppen wird Einlass gewährt. „Deutsch oder Englisch?“, wird man gefragt, dann gibt es Instruktionen über den Ablauf beim Besuch des Clubs. Man bekomme einen Tisch zugewiesen, erklärt das Personal, und werde auch an diesem bedient. Letztlich genau wie in einem normalen Restaurant? Genau so. Nur dass am Eingang noch steht: „Eintritt gegen Spende – Spendenempfehlung 2–10 Euro.“

Und die Handykamera möge man bitte zukleben. Wahrscheinlich, um das Erlebnis Clubbesuch irgendwie doch noch zu simulieren, obwohl es viel Aufregenderes als sein eigenes Tellergericht wahrscheinlich nicht abzufotografieren gibt.

Aber wirklich herauszufinden war das erst einmal nicht. Zuerst wurden Autor und Fotograf noch als die „Genossen“ von der taz begrüßt, als man sich vorstellte. Dann kommt jedoch die Sache mit dem Fotografierverbot zur Sprache, wir würden ja schließlich auch ganz gerne Fotos machen, wo wir schon einmal hier sind. Ein gewisser Sven – der Night-Manager des Clubs – begrüßt uns nun. Fotos: Lieber nicht. Okay. Ob man sich denn nun aber wenigstens als eine Art Gast mal kurz den Restaurantbetrieb ansehen könne? Doch irgendwie ist unser Kredit als „Genossen“ jetzt aufgebraucht. Nein, meint Sven, das gehe jetzt auch nicht mehr und er müsse von seinen „Hausrecht“ Gebrauch machen. Also: kein Einlass für die Presse.

Immerhin kann das Sisyphos jetzt von sich sagen, es habe als Restaurant eine vielleicht noch härtere Tür denn als Club.

Viel relaxter ist da die Lage vor dem About Blank in Friedrichshain. Dort hängt ein Mitarbeiter des Ladens über seinem Laptop, ein paar Meter vor ihm stapeln sich ein paar Bierkästen. „Wollt ihr ein Bier?“, werden wir gefragt, die Flasche kostet bloß 1,80 Euro. Das Zeug müsse irgendwie langsam mal weg, aber leider sei hier in der Nähe kaum Laufkundschaft.

Uns interessiert aber vielmehr: Was ist denn nun mit dem sogenannten Sektgarten, den der Club auf seiner Freifläche plane, wie man so hört? Genau darum gehe es bei dem Teammeeting, dass gerade eben stattfinde, so der About-Blank-Mann. Deswegen auch der Laptop auf seinen Knien. Die neueste Info dazu laute aber: Etwas Konkretes könne man immer noch nicht sagen. Dann verabschiedet sich der lässige Bierverkäufer in die Betriebskonferenz und formt dazu mit einer Hand noch ein Peace-Zeichen.

Bier im Birgit & Bier am Schleusenufer Foto: Sebastian Wells

Anders als das About Blank hat der Club der Visionäre auf der Lohmühleninsel wieder geöffnet, am Pfingstmontag zum ersten Mal seit Beginn des Corona-Lockdowns. Der Club ist gut gefüllt, vor dem Eingang wird die Warteschlange immer länger. Doch da kommt auch schon die Polizei in Mannschaftsstärke vorbeigefahren. Es sei berichtet worden, dass hier ein Club wieder geöffnet habe, sagen die BeamtInnen – und Clubs, das sei ja schließlich bekannt, dürften noch nicht wieder öffnen.

Eigentlich hat auch der Club der Visionäre alles dafür getan, Corona-Auflagen-tauglich zu erscheinen. Man wird am Eingang über das Tragen von Masken informiert, über die Abstandsregeln, über all das, was halt gerade so wichtig ist. Nur etwas Entscheidendes fehle, informiert die Polizei: eine Schankgenehmigung. Denn auch der Club der Visionäre biete nun Speisen an, dafür brauche es aber die Genehmigung.

Die Polizei ist geduldig, es wird viel herumtelefoniert. Mitarbeiter des Clubs bieten den Polizisten Wasser an, es gebe die Schankgenehmigung, ja, nur sei sie gerade nicht auffindbar. Immerhin ist das Wetter für alle viel zu schön, um sich über irgendetwas aufzuregen.

Die Leute sollen sich einfach möglichst wenig bewegen

Robert Kreissel, Birgit & Bier

Wir schauen währenddessen noch ein Stückchen weiter, ums Eck, in das Birgit & Bier am Schleusenufer. Normalerweise ist dieses ein Club mit Biergarten, jetzt ist er halt nur noch ein Biergarten. Robert Kreissel, der Inhaber, führt in einen abgesperrten Bereich, der normalerweise als Open-Air-Dancefloor dient. Dort essen jetzt seine Kinder gerade Pizza, aktuell ist das auch das Standardgericht in seinem Laden. Trotz Gastronomie und allen Bemühungen: Mehr als ein Zehntel Umsatz im Vergleich zum normalen Clubbetrieb komme so nicht zusammen.

Um die 100 Leute haben derzeit in seinem Außenbereich Platz, sagt er, „normalerweise sind es drei bis vier Mal so viele“. Statt des sonst üblichen Self Service gebe es Bedienung an den Tischen, „die Leute sollen sich einfach möglichst wenig bewegen“. Auf den Einsatz von DJs verzichte er gleich ganz, sagt Geschäftsführer Kreissel, „damit die Gäste nicht doch aufstehen und zu tanzen anfangen“. Gerade läuft „The Way It Is“ von Bruce Hornsby. Bei dem Stück besteht eine derartige Gefahr tatsächlich wohl eher nicht.

Noch einmal zurück beim Club der Visionäre: Es wird immer noch mit der Polizei lamentiert. Nun bestimmt schon eineinhalb Stunden lang. Ein ­Polizist schaut auf die Uhr. Bald ist es 22 Uhr. Dann ist hier für heute so oder so Schluss.

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