Berliner Wochenkommentar II: Wenig schmeichelhaft
Das Humboldt Forum bekommt einen Korb: Die Stuttgarter Museumsdirektorin Inés de Castro will nun doch nicht dessen Sammlungsleiterin werden.
Erst die peinliche Debatte über das Kreuz auf der Schlosskuppel, dann das Kompetenzgerangel inklusive beißender inhaltlicher Kritik von Exbeirätin Bénédicte Savoy und der scheidenden Direktorin des Ethnologischen Museums, Viola König. Und nun auch noch das: Das Humboldt Forum holt sich bei der Suche nach einer neuen Sammlungsleiterin einen Korb. In dieser Woche erklärte die Ethnologin Inês de Castro, sie wolle doch lieber bleiben, wo sie ist, nämlich im Linden-Museum in Stuttgart. Die baden-württembergische Landesregierung habe ihr einen Neubau im Stadtzentrum versprochen.
Ganz egal, ob de Castro mit ihrer Absage vier Wochen nach Bekanntgabe ihrer Berufung um den Stuttgarter Neubau gepokert hat oder nicht: Ihr Verhalten ist wenig schmeichelhaft für das vermeintlich größte Vorzeigekulturanliegen der Bundesrepublik, Humboldt Forum im Berliner Schloss.
De Castro, 1968 in Argentinien geboren, wäre eine tolle Frau für diesen Job gewesen. Vielleicht hätte sie endlich jenen roten Faden ins Humboldt Forum gestrickt, der bislang so deutlich fehlt. Ihre Expertise in puncto Provenienzforschung und postkolonialer Debatte gilt als kaum zu toppen. 2013 organisierte sie in Stuttgart die erste Inka-Ausstellung Europas. Mit ihr machte sie sich auf ebenso mühsame wie publikumswirksame Suche nach dem wahren Kern eines sagenumwobenen und oft überhöhten Volkes. Die Inka besaßen, abgesehen von einem rätselhaften Buchhaltungssystem aus geknüpften Fäden, keine eigene Schrift. Daher wurden sie erstmals von spanischen Eroberern beschrieben. Und trotzdem waren sie nicht nur Opfer, die Spanier nicht nur Täter – das zeigte die Ausstellung Inês de Castros eindrücklich. Es sind differenzierte Annäherungen wie diese, die das Humboldt Forum braucht.
Und jetzt? Jetzt steht das Humboldt Forum wie ein begossener Pudel da. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung preußischer Kulturbesitz, verspricht, sehr bald eine andere „verlässliche, starke und stabile Führungspersönlichkeit“ auszubuddeln. Blöd nur, dass die erst einmal gut beschäftigt sein wird. Sie wird nämlich verkaufen müssen, wie unproblematisch es doch ist, nur zweite Wahl zu sein.
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