Berliner Wochenkommentar I: Da darf man ruhig mal Danke sagen
Trotz des Streits um den Boykott-Aufruf einer Anti-Israel-Lobby: Das Pop-Kultur-Festival in der Kulturbrauerei bescherte Pop-Fans drei Feiertage.
Da ist diese ungeheuer sympathische Lady, 82 Jahre alt. Sie sitzt auf einem Stuhl vorn im Kinosaal, die Hände auf dem Schoß, und sie singt getragene, teils sehr alte Folksongs, die einem die Tränen in die Augen treiben. „Death And The Lady“ heißt eines davon. Wow. Stimmbänder, belegt mit gelebtem Leben. Die Zeit friert ein. Danke, Shirley Collins.
Da sind diese drei verrückten Russen. Die auch noch Oligarkh heißen. Super Bandname, super Band. Verfrickeltes Synthie-Geballer mit zwei Schlagzeugen, zwischendurch sampeln sie russisches Liedgut. Ein kleiner Rave in der Alten Kantine. Neben mir hüpft eine Blonde wild umher und boxt in die Luft. Danke, drei verrückte Russen.
Da sind diese 80 großen Fotografien, auf Leinwänden im Innenhof der Kulturbrauerei verteilt. Wildes, altes 80er Berlin, Aufnahmen aus Clubs. Nackentapeten und Iros, Hotpants und selbstgebaute Instrumente, Jazz-Freakouts und Punkrock. Danke, Roland Owsnitzki.
Es sind nur drei Standbilder und Eindrücke von sehr vielen, die man beim Pop-Kultur-Festival an den vergangenen drei Tagen sammeln konnte. Sie zeigen, was Kunst kann – und sie zeigen, dass die vom Senat ausgerichtete Veranstaltung, die vor zwei Jahren die Berlin Music Week ablöste, in erster Linie eines ist: ein sehr gut und sorgfältig kuratiertes Festival.
Mit Gegenwind hatte das Festival, das in diesem Jahr mit über einer Million Euro öffentlich gefördert wurde, schon immer zu kämpfen. Beim Start im Berghain, bei der zweiten Auflage in Neukölln: Müssen die die hippen Orte kapern? Warum muss der Senat – beziehungsweise das vom Senat eingerichtete Musicboard – ein eigenes Festival veranstalten? Ist es das Geld wert? In diesem Jahr, nun in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, kam auch noch ein Boykott von acht KünstlerInnen und DiskutantInnen dazu. Sie blieben fern, weil die Israelische Botschaft Festivalpartner ist.
All das hat dem Spirit der Veranstaltung wenig geschadet. Das Come-together, was sie sein will, ist sie – was auch daran liegt, dass so viel spannende aktuelle Popkunst gebucht ist. Selbst die Venues der Kulturbrauerei, viele steril und unwirtlich, haben nicht verhindert, dass es für alle popaffinen Menschen der Stadt drei Feiertage waren.
Ob man dafür öffentliche Gelder verwenden sollte?
Warum denn nicht? Im Vergleich zur Förderung anderer Institutionen (Opern, Haus der Berliner Festspiele …), ist das, was Land und Bund zuschießen, keine horrend hohe Summe. Und man ermöglicht damit ein interdisziplinäres künstlerisches Programm, das sich kein privatwirtschaftliches Festival leisten könnte. Da kann man ruhig auch mal sagen: Danke, Pop Kultur.
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