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Berliner Wasserbetriebe und CoronaVirensuche im Abwasser

Die Berliner Wasserbetriebe nehmen Abwasserproben, um dem Coronavirus nachzuspüren. Auch das Auftreten von Varianten lässt sich so dokumentieren.

Eine Taschenlampe reicht zur Virensuche tendenziell nicht aus Foto: dpa

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) leisten in der Pandemie nützliche Detektivarbeit: Das landeseigene Unternehmen lässt Abwasserproben von Laboren auf Spuren des Coronavirus untersuchen, wie Vorstandschef Jörg Simon am Mittwoch auf der Jahresbilanz-Presskonferenz für 2020 mitteilte. Ziel ist die Entwicklung von „Vorhersagetools“, mit denen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 schneller als durch die übliche Test-Statistik überwacht und prognostiziert werden kann.

Die BWB kooperieren dazu mit dem Umweltbundesamt, dem Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig und dem Berliner Max-Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin, haben aber auf Eigeninitiative auch zwei private Labore beauftragt, davon eines in Dänemark. Grundsätzlich forschen die wissenschaftlichen Einrichtungen bereits seit Beginn der Pandemie in diese Richtung: Vielversprechend ist das unter anderem deswegen, weil sich das Vorhandensein des Virus in der Bevölkerung mit dieser Methode schneller erkennen lässt als durch alle Testaktivitäten: Auch symptomfrei Infizierte scheiden Viren bzw. deren Bestandteile aus.

Laut Simon hatten die Wasserbetriebe zuerst damit angefangen, Proben aus dem Klärwerk Ruhleben zu entnehmen, die dann gekühlt oder gefroren an die Labore geschickt wurden. Das Werk klärt die Hinterlassenschaften von rund 1,3 Millionen BerlinerInnen. Mittlerweile habe man die Probenentnahme stärker differenziert, sie werde an 11 dem Klärwerk vorgeschalteten Pumpwerken durchgeführt. „Wir sind dabei, das noch weiter zu verfeinern, und wollen am Ende Proben untersuchen lassen, die Aufschluss über 10.000 oder 20.000 Einwohner geben“, so der Vorstandschef.

Am Ende sollen die Methoden so kalibriert sein, dass aus dem Abwasser nicht nur das bloße Vorhandensein des Virus in einem Einzugsgebiet „gelesen“ werden kann, sondern sich konkrete Rückschlüsse auf die Zahl infizierter Menschen ziehen lassen: laut Simon in vier Kategorien von 0 (Virus gar nicht vorhanden) bis 3 (hohe Virusverbreitung). Hinzu kommt, dass auch ein Monitoring von Virusvarianten möglich wird: So konnte auch die britische Corona-Variante schon in den Proben nachgewiesen werden.

„Im Moment finanzieren wir das selber“, sagte Simon auf Nachfrage der taz, „aber sobald wir belastbare Ergebnisse haben, werden wir auf die Senatsgesundheitsverwaltung zugehen und anfragen, ob dort Interesse besteht.“ Im Gespräch sei man bereits mit dem Bezirksamt Neukölln, das von sich aus auf die Wasserbetriebe zugekommen sei und Interesse an den Untersuchungen geäußert habe.

Insgesamt zog der BWB-Vorstand eine positive Bilanz des vergangenen Geschäftsjahrs: Es habe trotz Pandemie keinerlei Einschränkungen bei der Ver‐ und Entsorgung gegeben, die Preise seien konstant geblieben – und sollen es auch bis 2023 bleiben. Das Niveau vor der Rekommunalisierung im Jahr 2013, die mit Tarifsenkungen einherging, werde bei der Schmutzwasserentsorgung nach derzeitiger Planung erst 2026 wieder erreicht, bei der Trinkwasserversorgung dauert es sogar noch länger.

Besonderes betonten Simon und die Aufsichtratsvorsitzende, Wirtschaftssenatorin Rampona Pop (Grüne), dass die Wasserbetriebe hohe selbstfinanzierte Investitionen von rund 400 Millionen Euro getätigt habe. Aus Pops Sicht ist das nicht nur wichtig für die regionale Wirtschaft in Pandemiezeiten, es trage auch zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei.

Konkret fallen darunter laut BWB die Ausstattung aller Klärwerke mit zusätzlichen Reinigungsstufen gemäß der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die 2027 abgeschlossen sein soll, oder die Errichtung eines neuen Reinwasserbehälters in Lindenberg am nordöstlichen Berliner Stadtrand mit 68.000 Kubikmetern Speicherraum. Aber auch in das „Gewässergüte-Bauprogramm“ habe man weiter investiert und sei nun „auf der Zielgeraden“: Von 300.000 Kubikmetern unterirdischem Stauraum seien mittlerweile 253.000 fertiggestellt.

Dazu gehört eine riesige unter dem Mauerpark gelegene Röhre: Der im April 2020 in Betrieb genommene Stauraumkanal hat ein Fassungsvermögen von 7.600 Kubikmetern und kann nach einem Starkregen sogenanntes Mischwasser zwischenspeichern. Zumindest bis zu einer gewissen Niederschlagsmenge verhindert das, dass die fäkalienhaltige Brühe in die Spree abgeleitet werden muss. Dieser negative Effekt der kombinierten innerstädtischen Kanalisation steht seit vielen Jahren in der Kritik.

Laut Jörg Simon gibt es mittlerweile nicht mehr viele Flächen für solche unterirdischen Stauräume, zudem sei ihre Anlage teuer und durch das Verbauen großer Betonmengen auch nicht unbedingt umweltfreundlich. Man habe deshalb einen „Überstauatlas“ erarbeitet und suche jetzt nach neuartigen Entlastungsmöglichkeiten. So ließen sich grundsätzlich auch Sportplätze oder Grünflächen zur kurzzeitigen Rückhaltung von Regenwasser nutzen, erklärte Simon. „Da gibt es kreative Ideen, aber dafür brauchen wir auch Geld vom Land.“

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