Berliner Vizechefin der AfD tritt zurück: AfD-Fraktion zerlegt sich selbst
Kristin Brinker hat ihren Rücktritt als stellvertretende Vorsitzende erklärt, bleibt aber Mitglied der Fraktion. Ein Wochenkommentar.
D ie AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, seit der Wahl 2016 zumindest formell schon von 25 auf 22 Abgeordnete geschrumpft, ist weiter dabei, sich zu zerlegen. Nach einer Fraktionssitzung am Dienstagabend erklärte Kristin Brinker ihren Rücktritt als stellvertretende Vorsitzende, bleibt allerdings Mitglied der Fraktion.
AfD halt, immer gut für einen Eklat? Eben nicht, denn das ist nicht irgendein Rücktritt. Frühere Ausschlüsse trafen Abgeordnete, die nicht unbedingt Leistungsträger der Fraktion waren. Das Zerwürfnis mit Brinker aber trifft die Frau, die der Fraktion am ehesten ein bürgerliches Gesicht gab – genau das, was die AfD anstrebt.
Der Hintergrund ist verworren und betrifft die Finanzen der Fraktion. Brinker und andere hatten auf eine Überprüfung gedrängt, die sich letztlich gegen Fraktionschef Georg Pazderski und seinen parlamentarischen Geschäftsführer Frank-Christian Hansel richtete. Neues Personal kam und ging oder musste gehen. Nun lässt sich Pazderski zitieren, Brinker habe von Manipulationen an dem Prüfgutachten gewusst. „Zutiefst erschüttert“ sei er über Vorfälle, die sich „monatelang im Verborgenenen“ abgespielt hätten.
Brinker wiederum bestreitet, dass es überhaupt eine Manipulation gab. Ihr Fazit: „Wie unter den gegebenen Umständen für den Rest der Legislaturperiode eine konstruktive Oppositionsarbeit der AfD-Fraktion möglich sein soll, ist derzeit vollkommen unklar.“
Für Außenstehende überraschend
Für Außenstehende kommt das Ganze überraschend, weil sich rein vom Auftreten her Pazderski und Brinker ähneln: Beide sind umgänglich im Ton, verzichten im Parlament auf radikale Formulierungen und kommen nicht wie Fraktionskollegen spätestens im dritten Satz auf Flüchtlinge zu sprechen. Sie schaffen es sogar, dass ihnen Abgeordnete anderer Fraktionen zuhören.
Das gilt vor allem für Brinker als finanzpolitische Sprecherin im Hauptausschuss, wo sie stets umfassend vorbereitet wirkt, vor Papieren voller Markierungen und Post-its sitzt und Fragen stellt, die ihr auch in der Finanzverwaltung des Senats Respekt verschafft haben.
Der Streit gipfelt zu einem Zeitpunkt, da die AfD-Fraktion eigentlich ihren größten Erfolg als Oppositionsfraktion feiern kann: Die parlamentarische Anfrage an den Senat, die letztlich dazu führte, dass Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher wegen teils nicht weitergeleiteter und versteuerter Aufsichtsratsbezüge zurücktrat, kam von Brinker – und nicht etwa von den anderen beiden Oppositionsfraktionen CDU und FDP.
Der Zerwürfnis samt Rücktritt überdeckt das nun. „Immer weiter so, AfD!“, könnte sich die politische Konkurrenz nun sagen und meinen, bis zur Abgeordnetenhauswahl in rund 13 Monaten werde sich die Fraktion samt der sowieso schon disharmonischen Partei komplett zerlegt haben.
Könnte sein – aber Beispiele aus anderen Bundesländern zeigen, dass selbst großer Streit nur wenig Einfluss auf die Umfrageergebnisse der AfD hat: In Baden-Württemberg steht die Partei sogar trotz einer Spaltung der Fraktion mit 12 Prozent weiterhin nicht viel schlechter da als bei der Wahl 2016 mit 15 Prozent. Das dürfte in Berlin kaum anders sein.
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